EU
An Türkei soll "deutliches Signal" ergehen
Berlin und Paris präsentieren auf EU-Gipfel gemeinsame Position
Storkow - Rund eine Woche vor dem EU-Gipfel in
Kopenhagen haben sich Deutschland und Frankreich in der strittigen
Frage des EU-Beitritts der Türkei auf ein gemeinsames Vorgehen
geeinigt. Beide Länder wollten eine "abgestimmte gemeinsame Position"
einbringen und sich für ein "deutliches Signal" an Ankara einsetzen,
sagte der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nach einem
Arbeitsessen mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac am
Mittwochabend im brandenburgischen Storkow. Aus Delegationskreisen
verlautete, Berlin und Paris wollten der EU vorschlagen, 2004 die
bisherigen Reformfortschritte der Türkei anhand präziser Kriterien zu
überprüfen. Schröder sagte, es solle in Kopenhagen "ein deutliches Signal" an
Ankara geben, das über die bisherigen Beschlüsse hinausgehen sollte.
Die Details würden der deutsche Außenminister Joschka Fischer (Grüne)
und sein französischer Kollege Dominique de Villepin vor dem Gipfel
noch abstimmen. Schröder betonte, Berlin und Paris wollten auch in
der Frage der Finanzierung der EU-Osterweiterung auf dem Gipfel eine
gemeinsame Linie vertreten. Nicht zuletzt mit Blick auf die
Agrarfragen "raten wir niemandem, das Paket von Brüssel wieder
aufzumachen". Beim EU-Gipfel in Brüssel Ende Oktober hatten die
Staats- und Regierungschefs die Eckdaten für die Finanzierung der
Erweiterung festgelegt. Die dänische Ratspräsidentschaft stellte neue
Pläne vor, denen zufolge nach deutschen Berechnungen rund 2,5
Milliarden Euro mehr ausgegeben werden würde als vereinbart.
Chirac betonte, Berlin und Paris würden in Kopenhagen "eine
gemeinsame Position" haben, die sowohl "die unmittelbare Erweiterung"
der EU betreffe als auch die mittelfristige. Damit seien zunächst
Rumänien und Bulgarien gemeint und dann die Türkei. In
Delegationskreisen hieß es, Schröder und Chirac wollten der EU
vorschlagen, 2004 gemeinsam die Fortschritte der Türkei bei den
verlangten EU-Kriterien zu überprüfen. Dabei werde es um die
Demokratisierung des Landes und um Wirtschaftsreformen gehen. Der
Türkei war auf dem EU-Gipfel in Helsinki 1999 der Status eines
Beitrittskandidaten verliehen worden.
Der französische Ex-Präsident und jetzige EU-Konventsvorsitzende
Valerie Giscard d'Estaing hatte sich vor kurzem jedoch massiv gegen
die Aufnahme des moslemischen Landes ausgesprochen und damit eine
neue Diskussion losgetreten. In Deutschland lehnen laut einer am
Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Magazins "Stern" 46 Prozent der
Bürger eine Aufnahme der Türkei ab; 42 Prozent sind dagegen für die
Integration Ankaras. Zwölf Prozent waren in dieser Frage
unentschieden.
Bei den Gesprächen in Storkow einigten sich Schröder und Chirac
auch auf den Ablauf der Feierlichkeiten am 22. und 23. Jänner zum
40-jährigen Bestehen des deutsch-französischen Vertrages. Sie sollen
sowohl in Paris als auch in Berlin stattfinden. (APA/dpa)