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Grafik: APA

Das Rendezvous rückt in greifbare Nähe. Eine EU-Re- gierung nach der anderen fin- det sich mit dem scheinbar unvermeidlichen ab: Dass die Union ihr 1999 in Helsinki gemachtes Beitrittsverspre- chen an die Türkei bald wird einlösen müssen.

Der deutsch-französische Motor bewegt den Hochzeits- wagen nun hin zu einem Ter- min für den Gesprächsbeginn: Das Rendezvous zwischen Ankara und Brüssel soll im Dezember 2004 stattfinden. Dort würde, auf der Basis ei- nes Berichts der EU-Kommis- sion zur Situation der Men- schen- und Minderheiten- rechte in der Türkei, über ei- nen konkreten Start von Bei- trittsverhandlungen beschlos- sen werden. Als möglichen Termin visieren Berlin und Paris den 1. Juli 2005 an.

Der ungeliebten Braut vom Bosporus ist der Termin zu spät. Der starke Mann der Türkei, Wahlsieger Recep Tayyip Erdogan, jedenfalls war am Freitag unzufrieden mit diesem Fahrplan, den sich Deutschlands Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frank- reichs Präsident Jacques Chi- rak zwei Tage zuvor ausge- dacht hatten. "Mit zweierlei Maß" sieht Erdogan sein Land gemessen, ein "Datum für ein Datum" reicht ihm nicht - aber diskutieren will er trotzdem.

Ausführlich tun kann er das am Montag, drei Tage vor dem EU-Erweiterungsgipfel, von dem sich Ankara mindestens das Rendezvousversprechen oder besser gleich ein definiti- ves Verhandlungsdatum er- wartet. Da erwartet der däni- sche EU-Ratspräsident Anders Fogh Rasmussen Erdogan zum Rapport über den Reform- stand in der Türkei.

Davon, dass es auf dem Ko- penhagen-Gipfel ein konkre- tes Signal an Ankara geben sollte, sind mittlerweile fast alle EU-Regierungen über- zeugt. Außer Frankreich und Deutschland treten Großbri- tannien und Italien offen da- für ein, mit Spanien ist reiht sich auch das fünfte große EU- Land hier ein. Den letzten vier Staaten darf man unterstellen, dass sie sich dabei unter ande- rem von den Wünschen Wa- shingtons beeinflussen las- sen, das massiv auf einen Bei- tritt der Türkei drängt.

Auch die griechische Regie- rung, die im kommenden Se- mester die EU-Ratspräsident- schaft innehat, gibt sich pro- türkisch. Athen hofft, dass ei- ne Türkei, die alle Anforde- rungen einer EU-Mitglied- schaft erfüllt, am Ende ein net- terer Nachbar sein wird. Zu- dem kann Freundlichkeit nur hilfreich sein auf dem Weg zu einem Ja Ankaras zur Wieder- vereinigung Zyperns.

Opposition kommt derzeit nur aus Wien und Stockholm, aus der Europäischen Volks- partei im EU-Parlament und von Konventspräsident Valéry Giscard d'Estaing, der die Türkei nicht für ein europäi- sches Land hält. Mit Blick auf dessen jüngste Philippika ge- gen Ankara analysiert der griechischen EU-Botschafters Aristide Agathocles: "Ich den- ke, das hat das Gegenteil von dem bewirkt, was er wollte". (DER STANDARD, Printausgabe, 7.12./8.12.2002)