Washington - Bei ihren Bemühungen um die Eintrittskarte nach Europa hat die Türkei einen mächtigen Partner. Die USA betreiben im Vorfeld des EU-Erweiterungsgipfels von Kopenhagen intensive Lobbyarbeit für den Verbündeten am Bosporus. Präsident George W. Bush rief den dänischen Regierungschef Anders Fogh Rasmussen an, um für die Türkei zu werben. Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz pries in London die Türkei als Bereicherung für die EU. Und zwei Tage vor dem EU-Gipfel wird als wichtige symbolische Geste der türkische Wahlsieger Recep Tayyip Erdogan am Dienstag im Weißen Haus erwartet. Die Hilfestellung für die Türkei entspringt selbstverständlich dem amerikanischen Eigeninteresse: Als Gegenleistung erwartet Washington von Ankara Unterstützung im Krieg gegen den Irak. Mitarbeiter der US-Regierung räumen ein, dass das Bemühen um türkische Mithilfe gegen Saddam Hussein hinter dem ungewöhnlich heftigen Interesse am EU-Erweiterungsprozess steckt. Die USA sehen in der Türkei einen Schlüsselpartner für den Krieg. Sie brauchen zwar keine türkischen Soldaten oder Waffen, wollen aber türkische Basen für Luftangriffe im Irak nutzen und nach Zeitungsberichten mehr als 100.000 Soldaten in der Türkei stationieren. Feldzug mit Sorge Die Türkei sieht zwar einen möglichen US-Feldzug im Irak mit Sorge. Sie fürchtet, dass das Nachbarland zerfallen und an ihrer Südgrenze ein unabhängiger Kurdenstaat entstehen könnte. Doch die Versprechungen der USA, die Finanzhilfen für die Türkei zu erhöhen und die Europäer hinsichtlich des EU-Beitritts zu bearbeiten, haben offensichtlich ihre Wirkung nicht verfehlt. Wolfowitz erklärte vor wenigen Tagen nach einem Besuch in Ankara: "Die Unterstützung der Türkei ist gesichert." Das Interesse der USA an der Türkei reicht jedoch über den Irak-Krieg hinaus. Sie sehen in dem Land am Bosporus einen wichtigen Vermittler zu den moslemischen Staaten. Und sie hoffen, dass eine liberalisierte Türkei als Vorbild für die islamische Welt wirken kann. Während die Europäer den türkischen Reformprozess eher abwartend verfolgen, wird er in der US-Regierung geradezu zelebriert: "Die Türken bemühen sich, eine freie und demokratische und tolerante Gesellschaft zu entwickeln, und dies könnte ein nützliches Modell für Andere in der moslemischen Welt sein", sagte Wolfowitz in London. Solche Hoffnungen mögen übersteigert sein. Doch in der Diskussion um den türkischen EU-Beitritt wiegen sie für Washington stärker als die europäischen Bedenken. Den Druck aus den USA haben besonders Frankreich und Deutschland zu spüren bekommen. Die Sorgen der Franzosen und Deutschen um eine neuen Anstieg der Einwandererzahlen nach der Öffnung der Tür für die Türkei seien bekannt, "doch es geht um mehr, und das haben wir ihnen gesagt," heißt es aus Regierungskreisen in Washington. Schröder: Image aufpolieren Der Druck scheint seine Wirkung nicht verfehlt zu haben. Die Zusage des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD), der Türkei auf ihrem Weg nach Europa zu helfen, mag auch damit zusammenhängen, dass er nach dem Irak-Streit in diesem Thema eine Chance sieht, sein Image in Washington aufzupolieren. Mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac einigte sich Schröder inzwischen auf den Vorschlag, dass die Europäische Union im Juli 2005 Beitrittsgespräche mit der Türkei aufnimmt, wenn das Land bis dahin mit dem Reformprozess weit genug gekommen ist. Allerdings wäre dies noch nicht der große Durchbruch zu Gunsten der Türkei, den sich die USA vom Kopenhagener Gipfel erwünschen. Denn die EU behielte sich damit immer noch die Option offen, den Beginn der Beitrittsverhandlungen über 2005 hinaus zu verschieben. Die US-Regierung wünsche sich ein klares Signal, dass der türkische Beitrittsprozess zügig vorangehen soll, sagt Ted Galen Carpenter, Experte für Außenpolitik am Cato-Institut, einer Denkfabrik in Washington. Auch wenn sie diesen Wunsch in Kopenhagen wohl nicht voll erfüllt bekommt - gelohnt haben wird sich die Lobbyarbeit der US-Regierung auf jeden Fall. Denn schon allein für die Bemühungen Washingtons wird sich Ankara mit der Mithilfe im Irak-Krieg zu bedanken haben. (APA/AFP)