Österreichs Haltung zu einem allfälligen EU-Beitritt der Türkei ist schwammig. Offiziell will man sich weder seitens des Bundeskanzleramts noch im Außenministerium festlegen. "Wir warten jetzt einmal den Gipfel in Kopenhagen ab", erklärte eine Sprecherin von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel auf Anfrage des STANDARD. Im Kanzleramt wird als mögliches Szenario ein "Zwischenschritt" diskutiert. In Brüsseler Diplomatenkreisen wird das mit dem Schlagwort "konditioniertes Datum" umschrieben. Das würde bedeuten, dass der Türkei beim EU-Gipfel in Kopenhagen ein Datum für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen in Aussicht gestellt wird, falls sie ihren Reformkurs fortsetzt.Für eine pragmatische Vorgangsweise ist die SPÖ. Parteivorsitzender Alfred Gusenbauer glaubt nicht, dass es in diesem Zusammenhang hilfreich ist, die Frage nach dem "christlichen Charakter" der EU aufzuwerfen. Wenn die Türkei die Bedingungen erfülle, solle verhandelt werden, meint Europasprecher Caspar Einem. Beim EU-Gipfel in Kopenhagen solle man daher deutlich signalisieren, dass die Türkei den bereits beschrittenen Weg weitergehen solle, um der EU beitreten zu können. Reformdatum Die Grünen wollen, dass die EU jetzt ein Datum setzt, bis zu dem die von der Türkei angekündigten Reformen umgesetzt werden. "Wenn tatsächlich die Folter abgeschafft, die Kurdenfrage gelöst und das Militär auf ein demokratisches Maß reduziert ist, kann ich mir vorstellen, dass 2004 ein Datum für die Aufnahme von Verhandlungen genannt wird", erläutert die außenpolitische Sprecherin Ulrike Lunacek. Gegen einen Beitritt der Türkei zur EU ist derzeit die FPÖ. Die Annäherung nach der Methode zwei Schritte vor und einen zurück versucht die Wirtschaft. Während Christoph Leitl in seiner Funktion als Präsident der Europäischen Wirtschaftskammern (Eurochambres) am Montag in zahlreichen europäischen Tageszeitungen in Inseraten gemeinsam mit der Vereinigung türkischer Industrieller für die Nennung eines Beitritts inserieren ließ, relativierte er die Aussage der PR-Einschaltung bei einer Pressekonferenz in Brüssel. Die Frage des Datums müsse politisch gelöst werden, sagte Leitl. Derzeit sei ein Beitritt der Türkei zur EU jedenfalls nicht möglich. Leitl: "Wir müssen erst die Erweiterung verdauen. Dann sehen wir weiter." Die wirtschaftlichen Beziehungen sollte man aber ausbauen.(DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2002)