Wer sich unter lauter perfekt durchgestylten Fernseh-"Events" nach ein wenig Improvisation sehnt, ist bei den dritten deutschen Programmen ganz gut bedient. Letzte Woche zum Beispiel in der MDR-Talkshow "Riverboat": Unter den Gästen waren Georg Uecker (Carsten Floeter aus der "Lindenstraße"), Otto Christian Lindemann (Vorstand im Imperium der verstorbenen Beate Uhse), Weitsprungolympiasiegerin Heike Drechsler und Everybody's Darling Nina Hagen. Die mitunter tatsächlich wie von einem anderen Stern scheinende Sängerin wusste eine dem Pornothema anhängende Runde ordentlich aufzumischen. Ihre Frage an Lindemann "Wie oft masturbieren Sie täglich?" ließ freilich an selige Zeiten erinnern, löste aber im Gegensatz zum ORF anno 1979 nicht die Entlassung des Moderators, sondern nur fröhliches Gelächter aus. Der "Riverboat"-Gastgeberin bereitete derlei Ungezwungenheit anscheinend doch gewisses Unbehagen, weswegen sie der ständig in ihrer Handtasche kramenden Sitznachbarin Hagen harsch die Frage stellte: "Was suchen Sie da überhaupt in Ihrer Tasche?" Und damit prompt Hagens Antwort bekam: "Auf jeden Fall keinen Dildo." Das finden Sie jetzt gar nicht sooo toll? Dann stellen Sie sich vor, selbiges passierte im ORF. Im Gegensatz zu heimischen Diskussionssendungen, in denen offen gestanden rein überhaupt nichts gesagt wird, war das nämlich eine gesunde Abwechslung. Nicht zu vergessen die denkwürdig sympathische Verabschiedung des Co-Moderators an die TV-Kamera: "Wie lange muss ich hier eigentlich noch labern?" (prie, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 10.12.2002)