Inland
"Weil niemand eine Schneid hat"
FP-Gemeinderätin Ida Kremser, die beim Sonderparteitag Kritik an Haider übte, im STANDARD-Gespräch
Beim Sonderparteitag der FPÖ hatte Ida Kremser,
54-jährige Gemeinderätin aus Kuchl, Kritik an der
Parteispitze und an Jörg Haider geübt - und war
ausgebuht worden. Im Gespräch mit
Michael
Völker
hofft sie auf eine positive Wendung.
***
STANDARD:
Sie waren eine der
wenigen, die am Sonderparteitag offen Kritik geübt haben.
Glauben Sie, hat es genützt?
Kremser:
Herbert Haupt hat
gesagt, er will mit uns reden.
Ich werde jetzt abwarten, ob
das stimmt. Bisher war es
nicht so, dass wir in den Gremien reden durften. Die haben
die Gremien nur gesäubert. Es
wurden nur noch die Angenehmen eingeladen und nicht
die, die Kritik geäußert haben.
Aber die Kritik gibt es ja, die
soll man äußern. Ich finde das
schäbig, dass gerade die freiheitliche Partei nicht mehr offen mit ihren Funktionären
spricht.
STANDARD:
Und jetzt glauben
Sie, dass alles besser wird?
Kremser:
Meine Hoffnung ist,
dass es zu einem Gespräch mit
Haupt kommt. Dem fühle ich
mich verpflichtet. Auch im
Zukunftsgremium, in dem
Dieter Böhmdorfer sitzt, kann
man sicher offen diskutieren.
Das ist etwas Positives, dem
will ich eine Chance geben.
Wenn es nicht passt, werde
ich mich wieder äußern.
STANDARD:
Wie ist die Partei
bisher mit Ihnen verfahren?
Kremser:
Nachdem ich öffentlich Kritik geäußert habe, haben sie mir einen blauen Brief
geschickt. Wenn ich mich
noch einmal in der Öffentlichkeit äußere, droht mir der
Ausschluss. Das kann doch
nicht sein: Wenn wir uns entschuldigen, droht uns nichts,
wenn wir uns weiter melden,
werden wir ausgeschlossen.
STANDARD:
Lassen Sie sich einschüchtern?
Kremser:
Nein. Ich bin bekannt als Blaue in unserem
Kuchl. Ich bin schon die dritte
Periode Parteiobfrau und Gemeinderätin. Wir haben uns
fleißig hinaufgehantelt. Natürlich war der Zuspruch von
Jörg Haider ein Aufwind. Ich
sag’ auch nicht, er hat alles schlecht gemacht. Aber so,
wie es jetzt läuft, passt es
nicht. Die haben immer gesagt, die Basis will das und
das. Die wissen doch gar nicht,
was die Basis will, wenn sie
niemanden fragen und alle
hörig sind.
STANDARD:
Was werfen Sie Haider vor?
Kremser:
Dass er Knittelfeld
nicht verhindert hat.
STANDARD:
Ihre Kollegen in
Salzburg scheinen aber eher
auf Haider-Linie zu sein.
Kremser:
Viele sind auf dieser
Linie. Aber kaum jemand hat
offen gesagt, was ihn drückt.
STANDARD:
Warum?
Kremser:
Weil niemand eine
Schneid hat. Ich hab’ eine
Schneid. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.12.2002)