Es ist ein merkwürdiger Zufall, dass die Pensionsreformkommission zeitgerecht zwei Wochen nach der Wahl mit ihrem Bericht fertig wurde. Und so die treuherzigen Beteuerungen der Wahlkämpfer, dass niemand an eine rasche Pensionsreform auch nur denke, nicht mit unangenehmen Wahrheiten gestört hat. Denn der Pensionsbericht spricht eine andere Sprache als die Wahlredner: Künftig muss länger gearbeitet werden, und das für weniger Pension, sonst wird das System unfinanzierbar. Nur ein Detail: Die Zahl der Invaliditätspensionen ist in den vergangenen 15 Jahren um 555 Prozent gestiegen, zwei Drittel aller Landwirte flüchten in die Invaliditätspension. Daher ist es völlig richtig, wenn die Pensionskommission vorschlägt, die Invaliditätspension neu zu regeln.PensionistInnen verschont So Recht die Kommission auch im Detail hat: Ihr Bericht hat einige Schwächen. Die gravierendste ist, dass sie die finanzielle Last der höheren Lebenserwartung nur auf drei Millionen Schultern verteilt, nicht aber auf fünf Millionen - und Menschen, die in Pension sind, von der Reform verschont. Um 363 Prozent ist die Zeit, die Männer in Pension verbringen, seit 1970 gestiegen. Der lange, gesunde Lebensabend sei jedem vergönnt - warum aber sollen nur die jetzigen Erwerbstätigen etwas finanzieren, was sie selbst in dem Ausmaß nie konsumieren können? Eine ähnlich grundsätzliche Schwäche ist die Konzentration auf das ASVG-System. Die radikalen Einschnitte dort sind zwar notwendig - genauso nötig wäre aber eine Angleichung des üppigeren Beamtenpensionssystems an das der ASVG-Versicherten. Lediglich an einem Teil des Systems herumzudoktern, das andere aber nicht anzutasten, verschärft bestehende Ungerechtigkeiten: Gehen doch Beamte früher und mit höheren Bezügen in den Ruhestand als ASVG-Versicherte. Dazu kommt, dass der Bericht in Teilbereichen eher fantasielos ausgefallen ist: Das Kapitel zur eigenständigen Alterssicherung von Frauen ist dürftig, Systemänderungen wie die Grundsicherung werden nur knapp angedacht. Trotz aller Kritik: Der Bericht der Pensionsreformkommission ist prinzipiell sehr verdienstvoll. Macht er doch den realitätsfernsten Politikern klar, dass eine rasche Pensionsreform unabdingbar ist. Der Reformbedarf ist auch deshalb so groß, weil bisherige Regierungen das Problem nur sehr zögerlich angegangen sind: Die 1997 von Kanzler Viktor Klima und Vizekanzler Wolfgang Schüssel beschlossene Pensionsreform tritt jetzt, am 1. Jänner 2003, in Kraft - ist aber schon von der schwarz-blauen Pensionsreform 2001 überholt. Deren Änderung der Durchrechnungszeiten wiederum beginnt erst zu wirken - und ist der Pensionsreformkommission aber schon zu wenig weit reichend. Es wäre höchste Zeit, sich in den Regierungsverhandlungen zu einer nachhaltigen Reform durchzuringen, statt wieder Reförmchen an Reförmchen zu reihen. Sonst kommt der nächste alarmierende Bericht der Pensionsreformkommission, der das System für unfinanzierbar erklärt, bestimmt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 12.12.2002)