Wien/Linz - Die Tatbestände seien sehr schwer nachweisbar, "daher gibt es kaum Verfolgungsmöglichkeiten". Bei Kurt Retzer, Rechtsexperte der Arbeiterkammer Wien, rufen fast täglich Bauarbeiter an, die über Wochen bloß für Gottes Lohn, nicht aber für handfeste Euros arbeiten müssen. Sie werden von ihren Arbeitgebern oft schlicht und einfach nicht bezahlt. Die verfallen bei Lohnforderungen in Ahnungs- und Sprachlosigkeit.

Harte Arbeit am Bau und Warten auf Lohn

Jüngstes Beispiel: Bei der Renovierung des Neuen Institutsgebäudes (NIG) stemmen, mauern, verputzen Arbeiter seit Wochen an den Fassaden ohne Lohn.

Im STANDARD wurde kürzlich auf derartige Praktiken auf der Uni-Baustelle aufmerksam gemacht. Zuständig scheint für dieses Problem niemand zu sein. Bei der Universität verweist man auf die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), die das Gebäude in Besitz hat. Die BIG hat den Auftrag an einen Generalunternehmer vergeben. Dort gab es auf das Ersuchen um Stellungnahme bis Redaktionsschluss keine Reaktion.

Warnungen

Bereits im Vorjahr gab es Warnungen der Landesinnung Bau der Wiener Wirtschaftskammer vor dubiosen Firmen, die oft unter Scheinadressen firmieren und als Subunternehmer auftreten.

Eines der Hauptprobleme, mit denen Arbeitsrechtler Retzer in diesem Zusammenhang zu kämpfen hat: Damit ausständige Löhne eingetrieben werden können, brauche es Zustellungsbevollmächtigte, etwa Geschäftsführer. Die seien aber oft nicht auffindbar.

Identität nur mit Vornamen

Im Vordergrund agieren meist Personen, deren Identität nur mit Vornamen bekannt ist. Arbeiter würden von ihnen per Anzeigen und Handy in Wirtshauszimmer gelockt, dort bekämen sie Arbeit versprochen. Sind sie erst einmal auf einer Baustelle, geht das Arbeitsleid los: keine Löhne, keine Verantwortlichen, keine Sozialversicherung. Unternehmer würden bewusst ihre Unternehmen bankrott gehen lassen, weiß Retzer. Denn dann müsse der Insolvenzausgleichsfonds für ausstehende Löhne aufkommen - ein Umstand, der bewusst kostensparend einkalkuliert werde. Bei der Arbeiterkammer fordert man daher, Generalunternehmer am Bau für derlei Praktiken von Subfirmen haftbar zu machen. (aw, DER STANDARD Printausgabe 19.12.2002)