Den schwungvollsten Guss aus dem Handgelenk legt I. hin, auch sie vermag interpretatorische Steigerungen vom "Kotflügel" (neues Auto oder Blechschaden?) bis zum weihnachtlich-sympathischeren "Engelsflügel" (selbstredend) zu vollbringen, sie könnte sich allerdings auch ein "Pipihenderl" denken. Kollege A. bleibt pragmatisch und erkennt einen "Sparstrumpf", wo doch das Ding locker als Insekt auf dünnen Haxerln durchgehen könnte, eine Annahme, die O. zu physionomischen Studierereien verleitet: "Erstaunlich knochig" sei die Angelegenheit, und unter Umständen den Gebirgsmassen ähnlich, die den güldenen Johann Strauß im Stadtpark umgeben.

Foto: DER STANDARD

A. gießt bedächtig, dadurch länglich und damit die Interpretationsmöglichkeiten geradezu grausam einschränkend. Ein sinnendes Verstummen erfüllt den Raum angesichts des wuschelig umflorten Stengels, der sich hier offenbart. Z. versucht zaghaft die Flucht nach vorne: "Ein L?" A. relativiert: "Jedenfalls etwas, das steht." Ende der Debatte.

Foto: DER STANDARD

Angesichts der, wie er meint, "klassischen Alien-Form" seines Gusses sieht Z. anfangs ein Jahr voller Alpträume auf sich zukommen, schwenkt aber dann sicherheitshalber in Richtung Leistungssport ab. Das Konstrukt könnte schließlich auch einen "Läufer beim Start" oder - noch eleganter interpretiert - einen "liegestützmachenden Mann" darstellen. Wenig hilfreich ist die beratende Rondo-Redaktion: R. kann gerade noch einen "wallenden Umhang" ausmachen, O. will einen "kotzenden Delphin" erblicken, der Rest sieht gar nichts.

Foto: DER STANDARD

O.s kometenhafter Bleischweif wird allgemein als "Frau", "Geist" oder "Hexe" gesehen, oder als "irgendwas in einem Wickelpolster". Wieder einmal rettet Z. die verfahrene Debatte und will "eine Gondel" erkannt haben, oder "ein gebogenes Streichholz". Eine gewisse Spitze kann man dem Gußwerk jedenfalls nicht absprechen, es würde allerdings bei näherer Betrachtung auch den lukullischen Aspekt befriedigen, denn die Scheren diverser Krustentiere schauen auch so aus.

Foto: DER STANDARD

R. bringt unbestritten die eleganteste, vieldeutigste Bleikonstellation hervor. Das Ding könnte ebenso gut einen fetten, angriffslustigen Stier darstellen, wie "ein Seepferdchen mit Rüssel". Bei genauerer Betrachtung und unter Hin-und-her-Wendung erblickt I. "eine Ratte, auf einem Stein sitzend", und O. schaut gar "einen Dreschflegel oder einen Fledermausflügel". Z. bleibt in seiner Profession gefangen, wenn er "eine Lammkeule" erahnt, "mit bloßen Händen dem Tier entrissen". Fazit: Die Dreschflegelratte mit Fledermausflügel bringt sicher Glück.

Foto: DER STANDARD

N. gießt als Brasilianerin heute erstmals Blei und produziert prompt ein filigranes Fabeltier mit Haxerl und Kiemenbüscheln. "Ein Lurch" konstatiert I. mit biologischem Fachblick, "ein Delphin" konterkariert O. diese Überlegungen. "Die Kiemen sind der Beweis", unterstützt Z. die ursprüngliche These. Der Lurch hat immerhin auch so etwas wie einen Froschbeinschwanz. Auf jeden Fall handelt es sich um ein Wassertier, was bei einer copacabanabeheimateten Carioca vernünftig erscheint.

Foto: DER STANDARD

Dieses Produkt lässt an fadendünner Länge nichts zu wünschen übrig, was die deutbare Form anbelangt ist es jedoch als Totalflop zu bezeichnen. Ratlosigkeit liegt in der Luft. O.s Bemerkung "ein langer Furz" scheint wenig hilfreich, R.s zögerliches "Balalaika?" ist gut gemeint, N.s knappe, befriedigte Erkenntnis "ein Löffel" wird allgemein akzeptiert. Zu Silvester probieren wir es alle noch einmal, schließlich gilt nur, was in dieser Nacht zischend formgeboren wird. Also: Auf ein gutes Neues! (DER STANDARD/rondo/Ute Woltron/27/12/02)

Foto: DER STANDARD