Heide Hammer - Philosophin, Journalistin und Fragensammlerin: assoziiert mit unter anderen gruppe mañana, Episteme. Kooperative für Forschung und Intervention, Context XXI. Sie lebt in Wien.
Heide Hammer - "Revolutionierung des Alltags. Auf den Spuren kollektiver Widerstandspraktiken", Milena Verlag 2007

Dabei geht es Hammer, die Revolutionierung des Alltags. Auf der Spur kollektiver Widerstandspraktiken dieser Tage auf der Buchwoche Wien vorstellte, nicht bloß um die Kompilierung gelungener Widerstandserfahrungen in historischer Perspektive. Sondern um einen sehr persönlichen Zugang zu politischer Praxis und die Frage, wie diese nach dem Bruch des Jahres 1989 sinnvollerweise aussehen kann. Mit dem Ende der Ära des Systemkonflikts und der Krise der Großen Erzählungen, muss auch das linke Denken neue Formen und Ausdrucksweisen finden.

Die Lust an der Veränderung bestimmt die Beschäftigung mit den hier zusammengeführten philosophischen und politischen Aktivitäten. Zentral an diesen Emanzipationsbemühungen ist ein antiautoritärer Gestus.

Die auf antagonistische Widerspruchsverhältnisse abstellende dialektische Denkfigur klassisch marxistischer Schule kann hier nicht (mehr) befriedigen. Im Anschluss an poststrukturalistische und feministische Denkansätze favorisiert Hammer demgegenüber Konzeptionen, die geschlossene Identitäten aufbrechen, statt sie auch theoretisch zu perpetuieren. Mikropolitische Aktion, die bewusste Gestaltung des Alltags in subversiver Absicht, würde so nicht nur erleichtert, sondern könne zudem auch noch vergnüglicher gestaltet werden. Das Herhetzen hinter - oft männlich konnotierten - Idealtypen ("Der Straßenkämpfer") im so oft vergeblichen Bemühen ihnen gerecht zu werden, bringt ja eher Verdruss.

Dabei gehe es nicht um die Beliebigkeit des "anything goes", so Hammer. Hegemoniale Politikformen, die die Angst der Menschen erst schürt, um sie danach für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, verwenden mit Vorliebe Vorspiegelungen von Gegensätzen. Das "Wir" und "Sie" - zwangläufig Ein- und Ausschluss, Ober- und Unterordnung mitmeinend - ist erstens Allgegenwärtig und sollte, zweitens, problematisiert werden. Autoren wie Deleuze oder Foucault sind daher Referenzpunkte, mit denen Hammer ebenso sympathisiert, wie mit Aktionisten der Spaßguerilla.

Die Aneignung politischer Formen mittels Witz und Parodie habe in Österreich in den Protesten gegen die schwarz-blaue Regierung durchaus eine Blüte getrieben. Das Gefühl der Empörung bildete damals die Gemeinsamkeit einer Vielfalt von Manifestationen eines in neuen und spielerischen Formen sich ausdrückenden Widerstands.

Zur Überwindung oder zumindest Konterkarierung (kapitalistischer) Herrschaftsformen propagiert Hammer folgerichtig ein "Regime völliger Vielfalt", das Phantasie zu fördern vermag und neue Handlungsräume eröffnet. Internalisierte Wertvorstellungen oder Geschmacksurteile, die im Zusammenspiel mit staatlichen Zugriffspotentialen Konformität - hier: "Funktionieren innerhalb warenförmiger Verbindungen" - produzieren, könnten so erschüttert werden.

So habe etwa im Bereich Gender ein derartiges Misstrauen gegenüber dem Eindeutigen mittlerweile einen wirksamen Bruch mit herkömmlichen Dichotomien, Beschränkungen und Geschlossenheitsphantasien herbeigeführt - ganz im Sinne einer "Befreiung des Wunsches".

Hammer konzidiert bereitwillig die Subjektivität ihres Umgangs mit dem theoretischen Bauchladen, der durchaus von ihren Vorlieben im persönlichen Lebensvollzug bestimmt ist. Was für Menschen in wohlhabenden westlichen Demokratien eine Option für widerständiges Handeln darstellen kann, wird in anderen sozialen Realitäten seine Relevanz verlieren.
Ganz im Sinn des emanzipatorischen Gestus ihres Ansatzes (und in Vermeidung einer erneuten falschen Eindeutigkeit der Zuordnung, in diesem Fall zum genialen Denker), betont Hammer auch die Kollektivität von Theoriebildung in freundschaftlichen Netzwerken. Und auf solche ist die "Generation Projektarbeit" ja auch anderweitig oft angewiesen. (Michael Robausch, dieStandard.at, 17.11.2007)