Die 100-jährige Architektin im Jänner 1997
HERWIG PRAMMER

"Wenn ich gewusst hätte, dass alle immer nur davon reden, hätte ich diese verdammte Küche nie gebaut", meinte Margarete Schütte-Lihotzky einmal ziemlich erbost. Doch auch wenn die erste österreichische Architektin bis heute vor allem mit der von ihr erfundenen bis ins kleinste Detail funktionalistischen Frankfurter Küche gleichgesetzt wird, eine Reduzierung darauf erfährt ihr Werk dennoch nicht.

Als Architektin mit sozialem Anspruch wurde sie international gefeiert, als Kommunistin kritisiert und als Widerstandskämpferin gegen den Faschismus gewürdigt. Margarete Schütte-Lihotzky (1897 - 2000) hat Zeit ihres Lebens und auch danach unterschiedlichste plakative Zuordnungen erfahren und die waren nicht nur schmeichelhaft. Die Ausstellung "Ich bin keine Küche!" hat sich die Aufgabe gestellt, die vielschichtige Persönlichkeit "der Schütte", wie sie oft leger tituliert worden ist, aus drei Blickwinkeln anschaulich zu machen.

Blickwinkel Nummero 1: Mythos Schütte-Lihotzky

Die oben erwähnten, teils polarisierenden Darstellungen der Architektin führten zur Frage nach den Mechanismen der Entstehung ihres Mythos. Zeit ihres Lebens politisch interessiert und aktiv lebte Schütte-Lihotzky in unterschiedlichen Gesellschaftssystemen des 20. Jahrhunderts. Die Rezeptionsgeschichte von Leben und Werk Schütte-Lihotzkys ermöglichte es, neue Facetten ihrer Biografie zu entdecken und die Frage nach dem Anteil von Instrumentalisierung, Fremdzuschreibung und inszenierter Selbstdarstellung zu beantworten. Private wie offizielle Fotografien, autobiografische Veröffentlichungen und Zeitungsartikel aus dem Nachlass fungierten dabei als Untersuchungsgegenstand. Die in diesem Ausstellungsteil präsentierten Modelle der Frankfurter Küche, die 2007 im Auftrag der Angewandten mit finanzieller Unterstützung der BA-CA gebaut worden sind, stehen gleichsam als Spiegel und Metapher der Mythenbildung.

Blickwinkel Nummero 2: Paradigmen der Moderne

Die Moderne als Ideengebäude prägte das Denken und Schaffen der jungen Schütte-Lihotzky, die mit Traditionen gebrochen hat, um sich an sozialen Utopien zu orientieren. Wie stark diese Paradigmen noch heute im künstlerischen Wirken bzw. im Kultur- und Geistesleben zu spüren sind, versucht der zweite Teil der Ausstellung zu beantworten. Ausgewählte Positionen und Werke von KünstlerInnen der Gegenwart werden mit der Moderne als historischen Kontext der Architektin konfrontiert.

Blickwinkel Nummero 3: Demokratisches Design

Margarete Schütte Lihotzky verstand sich als Architektin, die ausgehend von städtebaulichen Ansätzen ihre gesellschaftspolitischen Ansprüche und ihr architektonisches Schaffen auch zu wegweisenden Designentwürfen verknüpfte. Ergonomie, Massenproduktion, Leistbarkeit, Rationalität und Praktikabilität waren für Schütte-Lihotzky maßgebende Kriterien für ihr Gebäude- und Möbeldesign. Wie relevant ihre Arbeit für zeitgenössische Positionen ist, ob dabei von demokratischem esign gesprochen werden kann, und inwieweit dieser Begriff überhaupt zulässig ist, diskutiert der dritte Teil der Ausstellung unter Befragung renommierter DesignerInnen und TheoretikerInnen. Eine Installation der dänischen Künstlerin Gitte Villesen zur Frankfurter Küche stellt eine pointierte Ergänzung dieses Ausstellungsteils dar.

Rund 220 Objekte werden gezeigt

Ausgangspunkt dieser Annäherung ist der erstmals ausgestellte Nachlass von Margarete Schütte-Lihotzky mit seiner einzigartigen Mischung aus Objekten zu Architektur, Politischem und Privatem. Noch zu Lebzeiten vermachte die Architektin ihren Nachlass den Sammlungen der Universität für angewandte Kunst Wien. Die Schau zeigt rund 220 Objekte: persönliche Gegenstände wie Fotos, Bücher und Manuskripte ebenso wie Pläne, Zeitungsartikel über die Architektin oder den IKEA-Award, der ihr für ihr Schaffen 1989 verliehen worden ist. Mehrere künstlerische Arbeiten und die Modelle der Frankfurter Küche runden die Ausstellung ab.

Zeit und Ort

Universität für angewandte Kunst Wien,
Ausstellungszentrum Heiligenkreuzer Hof
Schönlaterngasse 5 bzw. Grashofgasse 3
Stiege 8, 1010 Wien
Dienstag - Sonntag, 14 - 20 Uhr, feiertags geschlossen
Noch bis 25. Jänner 2008
http://www.dieangewandte.at
(red)