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Nicht nur die Frankfurter Buchmesse 2002 setzte mit dem Gastland Litauen auf Wissen und Kultur der Beitrittsländer, sondern auch das Wiener Institut für den Donauraum

Foto: APA/dpa/May

Die Länder Ost- und Südosteuropas holen auf: Das Lohnniveau steigt rasch, in Ungarn verdienen Topmanager bereits vergleichbar viel wie in Österreich, betonte Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer, auf der Konferenz "Das neue Humanpotenzial" vom Institut für den Donauraum vergangenen Montag in Wien. "Billigproduktionen wandern jetzt bereits aus den Beitrittsländern aus - nach Bulgarien, Rumänien." Und von dort wohl schon bald in die Ukraine oder nach Moldawien, prognostizierte Leitl. Die Zukunft liege im Humanpotenzial - und seiner Entwicklung. Hier erhielten die Länder Ost-, Mittel- und Südosteuropa Lob: Flexibilität, Veränderungswillen und Mobilität wurden als die großen Stärken der jungen Generation genannt.

EU-Schwerpunkt

Die Entwicklung des Humanpotenzials der Beitrittsländer und die Vernetzung mit den bisherigen EU-Ländern ist auch ein Schwerpunkt der EU. Wissenstransfer, Vernetzung und Mobilität sowie Investitionen in Forschungsprojekte stehen dabei ganz oben auf der Prioritätenliste. Schließlich soll Europa bis 2010 zur Vorzeige-Wissensgesellschaft werden. Drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes sollen dann in die Forschung fließen, die europäischen Bildungsinstitutionen zur "Welt-Referenz" werden, legte Nikolaus Van der Pas, der Generaldirektor für Jugend, Familie und Städtepartnerschaften bei der Europäischen Kommission, die Ziele dar. Wobei die neuen Partner sich einbringen sollen: Man will nicht mehr alles nach westlichem Modell "harmonisieren", sondern voneinander lernen. In der Praxis, gibt Van der Pas zu, mangelt es dieser Vorgangsweise an Effizienz. Dafür erhofft er sich neue Lösungen.

Die Probleme der Beitrittsländer und EU-Anwärter werden dabei nicht geleugnet: Lehrermangel zum Beispiel - der Lehrberuf ist schlecht bezahlt. Und potenzieller wissenschaftlicher Nachwuchs zieht den Sprung in die Wirtschaft schlecht bezahlten Wissenschaftsjobs vor. Dazu kommt das Problem des Brain-Drain: Die besten Köpfe wandern in Richtung Westen ab.

Brain-Drain

Was nicht unbedingt ein Nachteil sein muss, denn "Brain-Drain bedeutet immer auch Brain-Gain", wie es die Leiterin der Internationalen Organisation für Migration in Wien, Irena Vojackova-Sollorano, formulierte. Schließlich erwerben die Emigranten Kenntnisse und tragen zur Wissensvernetzung bei. Zudem könnten sie über Rückholprogramme vielleicht wieder repatriiert werden. Derartige Projekte werden nun über das sechste Rahmenprogramm der EU gefördert.

Für die klugen Köpfe ost-und südosteuropäischer Länder ist aber die EU keineswegs das Zielland Nummer eins: Allein Kanada nimmt jedes Jahr 6000 Hochschulabsolventen aus Rumänien auf. "Die EU aber hat als Zielland wenig Attraktivität", so Vojackova-Sollorano. Denn gegenüber Rumänien macht sie ihre Grenzen dicht, statt sich die besten Köpfe zu holen.

Auf universitärer Ebene funktioniert der Wissenstransfer: Nicht nur die EU und die Beitrittsländer, auch Rumänien und Bulgarien sind in Forschungsnetzwerke und Studentenaustauschprogramme wie Sokrates eingebunden. Außen vor stehen teilweise aber noch einige Nachfolgestaaten Jugoslawiens oder Albaniens. So kritisierte Bozidar Liscic von der Universität Zagreb, dass für kroatische Studenten keine Sokrates-Programme zugänglich sind. Barbara Weitgruber, zuständig für Internationale Angelegenheiten und Wissenschaft im österreichischen Bildungsministerium, ist bereits in Gesprächen, um eine EU-Finanzierung der Sokratesprogramme für diese Länder zu erreichen. Bisher noch ohne Ergebnisse.

Investitionen

Die Wirtschaft kennt jedenfalls wenig Berührungsängste: Im ersten Halbjahr 2002 investierten österreichische Firmen 280 Millionen Euro in Kroatien, das damit hinter Tschechien Platz zwei belegt. In die Reformländer Mittel- und Osteuropas ging etwa die Hälfte der heimischen Auslandsinvestitionen, nämlich 1,61 Milliarden Euro. Für Jung-Unternehmer sind weiterhin Investitionsmöglichkeiten gegeben, so die Außenwirtschaftsabteilung der Wirtschaftskammer. Und für junge Manager ist ein Job in Mittel-, Ost-und Südosteuropa sicher eine spannende Herausforderung. Schließlich könne man hier noch etwas verändern. Für frisch gebackene Uni-Absolventen bieten Stipendienprogramme Möglichkeiten, aktiv am Wissensraum Europa mitzubauen. (DER STANDARD, Printausgabe, 8./9.2.2003)