Acht Erstlingswerke treten im Internationalen Debüt-Spielfilmwettbewerb in Dortmund um den mit 10.000 Euro dotierten Preis für den besten Langspielfilm an. In der internationalen Jury werden in diesem Jahr die US-amerikanische Regisseurin und Kamerafrau Nina Menkes, die chinesische Regisseurin Li Yu und die Kölnerin Barbara Buhl, stellvertretende Leiterin der Abteilung Film und Serie des WDR, zusammenarbeiten.

Das Fremde bestimmend 

Aus über 70 gesichteten Produktionen wurden fünf europäische Spielfilme und drei Beiträge aus Übersee ausgewählt. Die Regisseurinnen gewähren einen Blick in andere Welten. Fremdsein im Land fern der Heimat, fremd im eigenen Körper, der Einbruch des Fremden in die vertraute Welt – die Begegnungen mit dem Unbekannten und dessen Folgen für das eigene Leben ziehen sich wie ein roter Faden durch die Filme des Wettbewerbs.

Weiblich oder männlich - oder? 

Aus Malaysia kommt das mit internationalen Preisen ausgezeichnete Debüt Love Conquers All von der Independent-Filmemacherin Tan Chui Mui. Sie erzählt in unprätentiösem Stil von der jungen Ah Peng, die aus einer Kleinstadt nach Kuala Lumpur zieht und sich in den zwielichtigen John verliebt.

Zwei Beiträge aus Lateinamerika berichten von jugendlichen ProtagonistInnen, die im gesellschaftlichen Abseits stehen und sich ihre eigene Wirklichkeit erschaffen müssen. Der Film XXY von Lucía Puenzo aus Argentinien, beschreibt das Leben der jungen Alex, die intersexuell ist – sie ist in ihrem Erbmaterial weder eindeutig männlich noch weiblich. Alex lebt mit ihren Eltern auf einer abgeschiedenen Insel, doch die erste Ferienliebe der 15jährigen löst sowohl bei den Jugendlichen wie bei den Eltern tiefe Verunsicherung aus.

Zwischen den Welten 

Mutum, der erste Spielfilm von Sandra Kogut, spielt im Sertão, einer der abgelegenen Provinzen Brasiliens und zeigt in dokumentarischer Manier den Alltag des zehnjährigen Thiago. Zusammen mit seinem Bruder Felipe tritt er der Welt der Erwachsenen entgegen, die aus Betrug, Gewalt und trügerischer Stille besteht. Während Thiago seinen Vater fürchtet, sehnt Pablo, der 11-jährige Protagonist des französischen Roadmovies Cowboy Angels den seinen herbei. Pablo überredet Louis, einen glücklosen Pokerspieler, mit ihm nach Spanien zu fahren um dort den Vater zu suchen. Die französisch-amerikanische Regisseurin Kim Massee schickt das ungleiche Paar auf einen Trip ins Unbekannte.

In der französischen Produktion L’Homme qui marche porträtiert Aurélia Georges den kontinuierlichen Abstieg des Dichters Viktor Atemian. Mit dem Schauspieler César Sarachu fand sie einen geradezu kongenialen Hauptdarsteller. Seine emotional sehr berührende Darstellung des ausgemergelten Dichters gibt dem im Paris der 70er Jahre spielenden Film eine starke und nachdenkliche Note.

Offenheit auf die Probe gestellt

Erst in der Begegnung mit dem Fremden wird das Eigene wahrnehmbar: Was ist typisch europäisch, fragt sich im niederländischen Wettbewerbsbeitrags Maybe Sweden (Deutsche Erstaufführung) eine Gruppe gut situierter HolländerInnen, die in Spanien Urlaub macht und beim Abendessen Houllebecq diskutiert. Als sie eines Nachts einen ghanaischen Flüchtling in ihrem Garten finden, wird ihre Offenheit auf die Probe gestellt.

Auch Marta, der Abschlussfilm der tschechischen Regisseurin Marta Novaková, thematisiert das Eindringen einer fremden Person in die eben noch vertraut scheinende Welt. Es ist Krieg – irgendwo und irgendwann. Der junge Mann Marek ernährt sich und seinen Vater als Fallensteller. Eines Tages findet er in einer seiner Fallen Marta, eine Soldatin der gegnerischen Armee und nimmt sie mit nach Hause. 

Spannungen im multikulturellen London

Die Bestsellerverfilmung Brick Lane von Sarah Gavron, den das Festival als deutsche Erstaufführung präsentiert, erzählt die Geschichte der 17-jährigen Nazneen, die für eine arrangierte Hochzeit vom vertrauten Bangladesh ins ferne London zieht. Ohne zunächst ihr Schicksal in Frage zu stellen widmet sie ihr Leben ihrem Mann und ihren Töchtern, bis eines Tages der impulsive Karim an ihre Tür klopft. Vor dem Hintergrund eskalierender ethnischen Spannungen im multikulturellen London entfaltet die Regisseurin mit großen Bildern eine schöne und gefährliche Liebesgeschichte. (red)