Beim "interreligiösen und interkulturellen Dialog aus Gender-Perspektive" tagten Jüdinnen, Christinnen und Musliminnen in Wien.

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Es gibt nur mehr wenige Bereiche, die man als "gender-freie Zonen" bezeichnen könnte, aber kurioserweise gehört gerade jener dazu, in dem Wörter wie "Frieden" und "Gleichheit", auch "Gerechtigkeit", nur so durch die Luft zu sirren pflegen: Vom interreligiösen Dialog ist die Rede. Da konversiert eine Hälfte der Menschheit untereinander, die andere darf, wenn überhaupt, zuhören. Und macht sich so ihre eigenen Gedanken zu Frieden, Gleichheit und Gerechtigkeit. Wenn Frauen sich zu Religion äußern, dann stehen Männer bereit, das Gesagte zu beglaubigen oder zu verwerfen ("verify and vilify"). Und wenn es ihnen in den Kram passt, dann wird es eben kooptiert.

Das Außenministerium hatte in seiner Reihe der kleinen feinen Frauenkonferenzen diesmal Theologinnen und Religionsexpertinnen - Jüdinnen, Christinnen und Musliminnen aus der ganzen Welt, viele aus dem Nahen/Mittleren Osten - nach Wien eingeladen, die sich drei Tage lang hinter verschlossenen Türen zum Thema "Interreligiöser und interkultureller Dialog aus Gender-Perspektive" berieten (auch um kommenden Dialogprojekten in Österreich einen Gender-Input zu geben). Immer wieder ist man fast erschüttert über den Bedarf an der Zurverfügungstellung solcher Foren. Kann schon sein, dass es eine "Dialogindustrie" gibt - eine Forderung war, den Dialog zu "entindustrialisieren" - aber gerade Frauen aus Ost/Süd treffen einander selten und noch seltener in einem geschützten Rahmen.

Als "unislamisch" abgetan

"Schmerz und Zorn in Aktion umsetzen", da gibt es vorher einiges zu klären. Für die Musliminnen scheint der intrareligiöse Dialog - mit Männern und Frauen - oft noch dringender zu sein als der interreligiöse Dialog. Was sich auf islamisch-theologischer feministischer Ebene seit Jahrzehnten tut - die berühmteste Vertreterin der feministischen Koraninterpretation, Riffat Hassan aus Pakistan, war in Wien dabei -, wird in der sattsam bekannten unheiligen Allianz von Islamisten und IslamkritikerInnen, die eine gemeinsame Auffassung von einem "absoluten" Islam haben, ja als "unislamisch" abgetan.

Über die zu gehenden Wege gab es naturgemäß unterschiedliche Auffassungen. Eine jüdische Theologin forderte stark die Einbettung des Feminismus "in die Kette der Tradition" der Religionen: Frauen würden sich selbst nur schwächen, wenn sie ihren Kampf als Alternative zu dem, was Männer sagen, führen. Das ist auch eine taktische Frage: Dass Öffnung auf der einen Seite, oder auch nur die Forderung danach, auf der entgegengesetzten oft zu einer Verhärtung führt (die Theologin zitierte als Beispiel die Entwicklung der jüdischen Orthodoxie), ist eine Binsenweisheit. Noch schlimmer im Islam, dessen Selbstwahrnehmung die einer Verfolgung ist - und jede interne Kritik als "westliche Agenda" verdächtig macht.

"Und jetzt haltet den Mund"

Eine US-iranische Teilnehmerin brach in diesem Zusammenhang eine Lanze für die internationalen Konferenzen der UNO, einer Art "Patin des globalen Feminismus", in deren Schutz Frauen offen reden könnten. Nett die Erzählung von der UNO-Bevölkerungs-Konferenz in Kairo 1994, wo die Vertreter der Al-Azhar die in islamischen Foren üblichen Hochreden auf die Prophetenfrau Aischa hielten und bass erstaunt waren, als sie von Frauen aus dem Publikum aufgefordert wurden, doch auf ihrem Podium "eine Aischa" Platz nehmen zu lassen. Aber das sei der Alltag, so eine Muslimin: "Seht, wie viele Rechte euch der Islam gegeben habt. Und jetzt haltet den Mund."

Theorie und Praxis zusammenbringen

Eine andere Frage, die die Frauen stark beschäftigte (und die nicht nur für Frauen im Dialog gilt), war das oftmalige Auseinanderklaffen von Theorie und Praxis. "Da befassen sich Leute mit Dialog, die nicht einmal 'Hallo' sagen können, wenn man ihnen begegnet", andererseits wären Praktikerinnen oft nicht in der Lage, ihre Erfahrungen zu analysieren. Man müsse Aktivistinnen und Theoretikerinnen zusammenbringen - was bei dieser Konferenz eindeutig der Fall war. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.7. 2008)