Brüssel/Luxemburg/Wien - Die Niederlage im EU-Parlament lag erst einen Tag zurück, da konnte Österreich zumindest vor Gericht einen Etappensieg für sich verbuchen. In einem der drei laufenden Ökopunkte-Prozesse vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg unterstützte am Donnerstag Generalanwalt Jean Mischo die Position Wiens. Demnach hat Brüssel im Jahr 2000 die Gesamtzahl der Ökopunkte rechtswidrig nicht gekürzt.

Nach dem Gutachten des Generalanwalts, das den EuGH-Richtern als Urteilshilfe dient, verletzte der EU-Ministerrat im Jahr 2000 die 108-Prozent-Klausel im Transitprotokoll zum österreichischen Beitrittsvertrag. 1999 betrug die Zahl der Transite nämlich erstmals erheblich mehr als 108 Prozent der Fahrten im Referenzjahr 1991. Nach dem Transitprotokoll hätte daher die Zahl der Ökopunkte 2000 drastisch gekürzt werden müssen. Der Ministerrat aber streckte die Kürzung über drei Jahre - bis 2003.

Auch wenn die EuGH-Richter dem Generalanwalt folgen, hätte das für Österreich nur einen symbolischen Wert: Die zu viel verteilten Punkte lassen sich nicht mehr zurückholen, und die 108-Prozent-Klausel wird am Jahresende ohnehin ersatzlos gestrichen.

In Brüssel kündigte unterdessen Tirols Landeshauptmann Herwig van Staa (ÖVP) an, von nun an in der Transitfrage keine Rücksicht mehr auf die Interessen anderer Bundesländer zu nehmen. "Ich bin insofern nicht sehr unglücklich über die Entscheidung des Europäischen Parlaments", sagte er vor Journalisten. Bisher habe er sich nicht geäußert, um die österreichische Position nicht zu gefährden. Aus Tiroler Sicht sei der Parlamentsbeschluss "nicht schlecht", denn nun würden die anderen Bundesländer sehen, dass es keine Hoffnung auf Verlängerung des Transitprotokolls gebe.

Tirol hätte sich schon früher "die Einstufung als sensible Zone holen können", so van Staa. Eine solche Kategorisierung würde nach den derzeitigen EU-Plänen Vorteile bei der Verkehrsbegrenzung bieten. Bisher war es allerdings Österreichs Position, dass die Nachfolgeregelung für das mit Jahresende auslaufende Ökopunkteregime für das gesamte Staatsgebiet gelten müsste.

In Wien kritisierte am Donnerstag SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer die "völlig verfehlte Prioritätensetzung" der Bundesregierung beim Transit. (Jörg Wojahn/DER STANDARD, Printausgabe, 14.2.2003)