Rund 90 Prozent der Materie, so schätzt ein grüner Verhandler, hätten ÖVP und Grüne konsensual abgehandelt und Kompromisse erzielt, die eine gemeinsame Regierung getragen hätten. Die restlichen zehn Prozent hatten es jedoch in sich, umfassten sie doch die Kernbereiche eines potenziellen Koalitionsabkommens. Bei Budget und Sozialfragen, in wesentlichen Sicherheits-und Bildungsfragen konnte keine Einigung erzielt werden. Die konkreten Punkte:

Abfangjäger

Die Grünen forderten den Verzicht auf den Kauf neuer Flugzeuge zumindest in dieser Legislaturperiode, da gleichzeitige Einschnitte im Sozialbereich nicht argumentierbar seien. Ihrem Kompromissangebot, den Kauf zumindest zu verschieben und in der nächsten Legislaturperiode gemeinsam mit der Neutralitätsfrage und der Mitarbeit in der europäischen Verteidigungsunion zu verhandeln, wollte die ÖVP nicht zustimmen.

Soziales

Die ÖVP beharrte auf der Abschaffung der Frühpensionen, die ab 2004 greifen sollte, sowie auf längere Durchrechnungszeiträume für die Pension. Die Grünen lehnten 40 Jahre Durchrechnung für Frauen mit dem Argument ab, dass damit eine weitere Verschlechterung für eine ohnehin schon benachteiligte Gruppe einherginge. Außerdem forderten sie begleitende Schutzmaßnahmen für ältere Arbeitnehmer. Die ÖVP bot an, für sozial Bedürftige ohne Anspruch auf Pension die Sozialhilfe zu ändern, die Ländersache ist. Den Grünen war das als Einstieg in die Grundsicherung viel zu wenig. Auch über einen Mindestlohn für alle konnte man sich nicht einigen: Die Grünen forderten die gesetzliche Verankerung, die ÖVP schlug vor, die Sozialpartner darüber entscheiden zu lassen. Das wollten wiederum die Grünen nicht, weil diese, selbst wenn sie zustande käme, etwa 100.000 Menschen nicht erreichen würde.

Verkehr und Infrastruktur:

Hier lag man zwar inhaltlich weit auseinander, vor allem bei den Fragen der Eindämmung des Transitverkehrs und dem Ausbau von Straße und Schiene. Verständigen konnte man sich aber darauf, einen Kompromiss zu versuchen, wenn ein Gesamtpaket zustande käme.

Migration:

Hier war zuletzt nur noch ein Punkt offen, der den Integrationsvertrag betraf: Die Grünen wollten beim Integrationsvertrag die Bestimmung streichen, die Ausländer, welche Integrationsmaßnahmen wie Sprachkurse nicht mitmachen wollen, mit der Abschiebung bedroht. In der Asyl- und Flüchtlingspolitik war man dagegen so weit, dass es, so ein Verhandler, "zu einer 180-Grad-Wende zur bisherigen Politik" gekommen wäre.

Universitäten:

Hier waren nicht nur die Studiengebühren, sondern vor allem die Mitbestimmung des universitären Mittelbaus im neuen Universitätsorganisationsgesetz (UOG) ausschlaggebend für das Scheitern. Die ÖVP sei nicht bereit gewesen, den Einfluss der Professoren in den Gremien auf ein Ausmaß "von wenigstens 50:50" zu reduzieren, heißt es. Das lehnte die ÖVP ab, weil es eine teilweise Rücknahme des UOG bedeutet hätte.

Budget und Finanzen:

Kern- und Angelpunkt des Scheiterns der Verhandlungen. Zwar waren sich ÖVP und Grüne rasch über den Konsolidierungsbedarf bis 2006 einig und stellten diesen auch außer Streit. Auch soll man sich geeinigt haben, nicht stur am Nulldefizit festzuhalten. Allerdings stellte sich ebenso rasch heraus, dass der Spielraum, den die Grünen zur Abfederung sozialer Härten und für Zukunftsinvestitionen forderte, wesentlich größer war als der, den die ÖVP einzuräumen bereit war. Das hemmte schließlich auch die Kompromissfindung in den Untergruppen. (eli, kob/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.2.2003)