Brüssel - Der Eklat um verbale Entgleisungen des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac während des EU-Sondergipfels zur Irak-Krise ist bei einem anschließenden Treffen mit den 13 Kandidatenländern am Dienstag von beiden Seiten heruntergespielt worden. Der polnische Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz zeigte sich ebenso wie der ungarische und der tschechische Ministerpräsident überzeugt, dass Chirac trotz seiner scharfen Kritik an der "voreiligen pro-amerikanischen Position" der künftigen EU-Mitglieder in der Irak-Krise die Erweiterung nicht behindern wolle. Der französische Präsident habe Warschau seinerzeit den Beitritt bereits für das Jahr 2000 in Aussicht gestellt.

Der polnische Außenminister betonte aber nach einem Treffen mit der griechischen EU-Ratspräsidentschaft, dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana und EU-Kommissionspräsident Romano Prodi: "Wir respektieren das Recht Frankreichs, seine Meinung zu sagen und seine eigene Politik zu bestimmen, aber wir erwarten das gleiche Recht auf Respekt auch für uns." Die vergangenen Monate und Wochen seien von "starken Worten und emotionaler Rhetorik" auf beiden Seiten des Atlantik geprägt gewesen. Diese Rhetorik führe zu nichts. "Emotionen sind nicht der beste Ratgeber für Politiker."

Verstimmt zeigte sich der polnische Außenminister über den Beschluss der EU, die Kandidatenländer nicht zum Gipfeltreffen selber einzuladen, sondern erst nachträglich über die Ergebnisse zu informieren. Es gebe Situationen, wo die Beitrittsländer mit am Tisch sitzen sollten. Die Bedrohung durch den Irak treffe alle. Zwar zeigte Cimoszewicz Verständnis für die rechtlichen Argumente der EU-Seite, dass die Kandidaten erst nach Unterzeichnung des Beitrittsvertrages am 16. April als "aktive Beobachter" an den EU-Gipfeltreffen teilnehmen können. In bestimmten Situationen wäre es aber besser, "weniger formalistisch vorzugehen."

Brief der Acht war "kein Fehler"

Sowohl der tschechische als auch der ungarische Ministerpräsident verteidigten am Dienstag den offenen Brief der acht europäischen Länder zu der Irak-Krise. Der tschechische Regierungschef Vladimir Spidla erklärte, der Brief sei "kein Fehler" gewesen, auch wenn er nicht die Position der tschechischen Regierung widerspiegle. Er hielt den EU-Partnern vor, auf die britisch-spanische Initiative für eine Solidaritätsbezeugung mit den USA in der Irak-Krise weit weniger scharf reagiert zu haben als im Falle der Kandidatenländer.

Zu den Chirac-Äußerungen meinte Spidla lediglich, sie gehörten der Vergangenheit an und belasteten die Zukunft nicht. Um eine einheitliche Position der Europäer zu erreichen, seien jedoch "Dialog, gegenseitiger Respekt, Toleranz und Zusammenarbeit" notwendig. Der ungarische Ministerpräsident Peter Medgyessy sagte, kein Land könne an den Pranger gestellt werden, weil es eine starke Position beziehe.

Rumänien hofft auf Bedauern

Am schärfsten reagierte der rumänische Ministerpräsident Adrian Nastase auf den verbalen Ausrutscher Chiracs. Die Vorhaltungen an die Kandidatenländer seien "nicht im Geiste demokratischer Beziehungen und des gegenseitigen Respekts". Er hoffe, dass der französische Staatspräsident diese Bemerkungen bedauern werde. Der rumänische Regierungschefs wollte Chirac persönlich auf die Affäre ansprechen.

Gemeinsame Erklärung von EU-Staaten und Beitrittsanwärtern

Das Treffen endete mit einer gemeinsamen Erklärung der 15 EU-Staaten und der 13 Beitrittsanwärter zur Irak-Krise. Die 13 Länder übernahmen darin voll die Position der EU, die sich für eine friedliche Entwaffung des Irak einsetzt, aber einen Krieg als letztes Mittel nicht ausschließt. Beide Seiten bekräftigten ihre Bereitschaft, "neue Bruchlinien zu vermeiden" und sich gemeinsam für Stabilität und Wohlstand über die neuen EU-Grenzen hinaus einzusetzen. (APA)