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Surfer und Olympiasieger Christoph Sieber

Foto: APA/Harald Schneider

"Batterien wieder aufladen"

"Nur kein Stress" lautet ab September die Prämisse von Hannah Swoboda. Die 30-Jährige wird sich für ein Jahr eine Auszeit gönnen und diese für eine "zumindest achtmonatige" Weltreise nutzen. Bei der Caritas Wien, ihrem Arbeitgeber, werden solche Sabbaticals gefördert, erzählt sie: "Seit zwei, drei Jahren ist es en vogue und immer mehr Führungskräfte nehmen ein solches Modell in Anspruch." Nach neun Jahren Sozialarbeit und nebenbei absolvierten Ausbildungen wie die Sozialakademie und ein Hochschulstudium müssen die "Batterien wieder aufgeladen werden".

Gerade in ihrem Metier gebe es viele, die die Alarmsignale nicht rechtzeitig erkennen. "Entweder man stumpft ab, was natürlich auch katastrophal ist, wenn man täglich mit menschlichen Schicksalen konfrontiert ist, oder es bleiben viele mit Burnouts auf der Strecke", berichtet Swoboda von einigen Kollegen, die es verabsäumt haben, die Notbremse zu ziehen.

Urlaube zu kurz zum Regenerieren

Sabbaticals seien zwar in Österreich immer mehr im Kommen, sollten aber von Seiten der Arbeitgeber noch stärker forciert werden, wünscht sich Swoboda: "Es steigert die Lebensqualität enorm und wenn sich mehr Leute eine Auszeit nehmen würden, könnten auch die Krankenstände reduziert werden." In Berufen, die ein starkes emotionales Engagement erfordern, seien normale Urlaube zu wenig, um sich wieder zu regenerieren, meint die Wienerin. Weiters hätten Firmen mit einer niedrigeren Personalfluktuation und geringerem Verlust an Know-How zu rechnen, da es zu weniger Kündigungen kommen würde, ist Swoboda überzeugt, dass Arbeitgeber und -nehmer gleichermaßen profitieren.

Eine fixe Route für ihre Weltreise hat sie noch nicht: "Ich möchte nicht jedes Monat in ein anderes Land fahren, sondern mich einfach je nach Lust und Laune fortbewegen." Nur Russland sowie Neuseeland gehören zu ihren absoluten Wunschdestinationen. Einen lange gehegten Traum will sie sich im Rahmen der Reise auch erfüllen: Die Fahrt mit der transsibirischen Eisenbahn. "Aber nicht mit dem Touristenzug", betont sie. Die zwölf Monate will Swoboda auch dazu nutzen, um sich Klarheit über ihre weiteren beruflichen Pläne zu verschaffen: "Es ist durchaus möglich, dass ich dann was komplett anderes machen möchte." Zeit zum Nachdenken bleibt ja.

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"Als Selbstständiger schaut niemand auf dich"

"Eine dreimonatige Auszeit mit Option auf Verlängerung" hat der 30-jährige Unternehmensgründer Alexander Szlezak vor sich - gerade genießt er die zweite Woche davon. Der Chief Executive Officer der IT-Firma Gentics Software hat mit 23 Jahren angefangen, das Unternehmen gemeinsam mit drei anderen aufzubauen - mittlerweile sei es stark gewachsen und erfolgreich. "Ich habe aber Delegieren erst gelernt, als es schon zu spät war", erzählt Szlezak. Vor rund drei Jahren hat es angefangen, dass er immer wieder krank war, die Stimme versagte - er fühlte sich sehr gestresst. "Nach mehr als sieben Jahren Vollgas habe ich verlernt auf mich selbst zu schauen", sagt er.

Darauf hat er dann vergangenes Jahr reagiert: Zwölf-Stunden-Arbeitstage und mehr für sich selbst abgeschafft und langsam begonnen mehr Verantwortung an die Mitarbeiter zu delegieren. Die Auszeit soll ihm nun helfen Körper und Geist wieder aufzutanken.

Wie das möglich ist? "Meine Mitgesellschafter kannten die Option des Sabbaticals gar nicht als ich sie im Februar in meine Pläne einweihte". Nach einem ausgeklügelten Finanzplan für sie und sich selbst haben sie dann schließlich auch zugestimmt. Szlezak ist davon überzeugt, dass am Ende auch seine Firma von der Auszeit profitieren wird: "Ich werde wieder voll leistungsfähig sein, nicht mehr bei jeder Kleinigkeit gestresst sein und gesundheitlich auskuriert", hofft er. Noch ein wichtiger Punkt für ihn: "Ich habe endlich das Gefühl, dass meine Firma auch ohne mich kann und ich ohne sie."

Für seine Auszeit hat er sich vorgenommen im ersten Monat einfach die Tage zu genießen, Freunde zu treffen, zu Fotografieren - Zeit für Dinge zu haben, die sonst immer zu kurz gekommen sind. Dann will er die Balkanküste entlang fahren und dann auch in die Ferne schweifen um zu Surfen. Allerdings - eine kleine Angst meldet sich schon ab und zu bei ihm: "Wie wird es sein, wenn ich ersetzt bin?" Seine Mitarbeiter haben durchwegs positiv auf seine Auszeit reagiert. Szlezak wäre in Zukunft auch offen dafür, dass seine Mitarbeiter sich eine Auszeit nehmen.

Weiter: "Mir hat es irrsinnig gereicht" (Christoph Sieber)

"Mir hat es irrsinnig gereicht"

Gleich eine zweijährige Auszeit hat sich der Sportler Christoph Sieber gegönnt. Seine Vorgeschichte: nach dem Gymnasium hat er sich ganz dem Windsurfen gewidmet, 1992 ist er in Barcelona Fünfter im Windsurfen geworden. „Da geht noch mehr, habe ich mir gedacht", erzählt Sieber. Acht Jahre lang hat er dann keinen Wohnsitz in Österreich gehabt und ist permanent unterwegs gewesen. Dann kam Sydney 2000 mit dem Olympiasieg. "Ich bin dann heimgekehrt und völlig unbedacht auf die österreichische Gesellschaft getroffen, war jeden Tag auf fünf Veranstaltungen und habe ein halbes Jahr faktisch nie mehr als fünf Stunden geschlafen. Und in der Folge hat es mir dann irgendwie irrsinnig gereicht", schildert der Sportler die Zeit, die danach kam. "Das war jetzt kein Burnout in dem Sinn, aber es war etwas in der Richtung." Er hat sich "selbst nicht mehr gefallen".

Spontaner Aufbruch nach Hawai

Innerhalb von Stunden hat er dann einen Flug nach Hawai gebucht und Telefon und Computer abgedreht. Das war 2001. Die folgenden zwei Jahre ist er dann nur unterwegs gewesen. „Ich habe mir das erfüllt, was ich mir im Scherz vorgenommen hatte: Wenn ich Olympiasieger werde, mir die Zeit nehmen ohne Druck, ohne Wettkampfstress einfach nur Wind und Wellen hinterher reisen.

Rückfahrkarte zum Selbst

Und was hat es gebracht? "Ich habe wieder zu dem Selbst zurück gefunden, was ich zuvor war und konnte wieder mit mir selbst und der Natur glücklich sein. Applaus habe ich keinen mehr gebraucht. Mit dem Gewinn mich am Leben selbst freuen zu können, bin ich dann wieder nach Österreich zurückgekehrt und war bereit ein wenig sesshaft zu werden, habe mir ein Haus hergerichtet und eine Familie gegründet."

Motivation für den Beruf

"Eine Auszeit kann bewirken, dass es rundherum ruhiger wird, man ist nicht mehr in dem gewohnten Trott und Lärm. In dieser Ruhe kommt man dazu einmal in sich selbst hineinzuhören. Ich glaube das Wichtigste für jeden Menschen ist, dass er weiß, wer er selber wirklich ist, welche Wünsche er ausleben möchte." Wenn man das erkenne, habe man irrsinnig viel gewonnen und könne es dann auch in das Berufsleben zu integrieren.

Auf die kleinen Auszeiten kommt es an

Die Lehre daraus: Dieses Wissen mit dem Alltag zu kombinieren. "Im Spitzensport weiß man, dass die Pausen genau so wichtig sind wie die Belastungen. Das ganze Training bringt nichts, wenn man nicht die Regeneration hat", erklärt Sieber, der mittlerweile auch Motivationscoach und Berater ist. Wichtig sei, dass man auch eigene Kraftquellen hat, die man jederzeit nutzen kann, denn "wenn man sich die Energie nur vom Applaus holt, lebt man in völliger Abhängigkeit von anderen".

Tipps für die Auszeit

"In der Auszeit ist es wichtig, dass man dann auch wirklich etwas tut, was man liebt, von Herzen gerne tut. Wenn das für jemanden einfach nur am Strand in der Sonne liegen ist, dann soll es so sein, aber ich glaube nicht, dass das jemanden auf längere Sicht erfüllen kann." Sein Rat: die wertvolle Zeit nicht verschwenden und gut ist es ein Konzentrationsobjekt zu haben. Einfach einmal nur Beine und Seele baumeln lassen sei zwar auch wichtig, aber "ein richtiges Glücksgefühl entsteht im Leben dann, wenn wir in einer Tätigkeitaufgehen". Im Sport geht das vergleichsweise schnell, aber "Erfolge sind immer nur ein kurzer Moment des Glücks, länger anhaltendes Glück bekommt man nur im Tun."

Weiter: "Ein Freijahr dient rundherum der Regeneration" (Ingrid Urbanetz)

"Ein Freijahr dient rundherum der Regeneration"

"Ich habe mir geschworen, Burnout passiert mir nie", erzählt die 44-jährige Wiener Sozialarbeiterin Ingrid Urbanetz, die Burnout bei mehreren Kollegen miterlebt hat. Seit Anfang Juli begeht sie ihr zweites Sabbatical. Zuletzt hat sie in einem Eltern-Kind-Zentrum der MA 11 gearbeitet.

"Meine erste Auszeit habe ich mir genommen, weil meine Tochter in die erste Klasse Volksschule gekommen ist, da war es mir wichtig viel Zeit für sie zu haben", erzählt Urbanetz. Und auch beim zweiten Mal war der Wechsel der Tochter ins Gymnasium ausschlaggebend. Nach ihrem ersten Auszeitjahr wurde ihr Posten zwar nachbesetzt, aber sie bekam wieder einen gleichwertigen Arbeitsplatz in Wien. "Es ist völlig unkompliziert", so ihr Fazit. Die positiven Nebeneffekte für sie: Der hohe Stresspegel - nach jahrelanger Arbeit mit Familien mit massiven Problemen - hat sich aufgelöst. Die eigenen sozialen Kontakte haben sich wieder verbessert. Das Problem im Sozialbereich: "Die Menschen brauchen und brauchen und das wirklich, aber man muss auch auf sich selbst aufpassen."

Das Auszeitjahr hat sie jeweils "angespart", das funktioniert so: zwei Jahre vorher mit 80 Prozent des Gehalts arbeiten, dann Freijahr ebenfalls mit 80 Prozent des Gehalts konsumieren und danach wieder zwei Jahr Vollzeit um 80 Prozent arbeiten. (Marietta Türk, Oliver Mark, derStandard.at, 15.7.2008)