Ein Fünftel der Biomasse kommt vom Homo sapiens.

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Der Mensch verbraucht 23,8 Prozent der globalen Biomasseproduktion. Das haben Wissenschafter des Instituts für soziale Ökologie der Universität Klagenfurt bereits berechnen können. Jetzt soll in einer neuen Studie analysiert werden, wie sehr die menschliche Landnutzung die Energiequelle der globalen Ökosysteme im Verlauf der letzten Jahrhunderte beansprucht hat.

Dabei gehen Wissenschafter davon aus, dass die von Pflanzen produzierte Biomasse jener Energie entspricht, die einem Ökosystem als Nahrungsbasis zur Verfügung steht. Ein Fünftel dieser potenziellen Primärproduktion an Biomasse geht nach Berechnungen der Wissenschafter also auf das Konto der Menschheit.

Berechnen konnten die Wissenschafter um Helmut Haberl ihre Werte mithilfe des HANPP-Indikators. HANPP steht für Human Appropriation of Net Primary Production und stellt das, was die Erde unter natürlichen Umständen - also ohne menschlichen Einfluss - an Biomasse produzieren würde, dem gegenüber, was unter herrschenden Bedingungen tatsächlich im System verbleibt.

Jetzt wollen die österreichischen Wissenschafter erstmals die langfristige Beeinflussung der Ökosysteme durch die menschliche Landnutzung im Verlauf der letzten 300 Jahren eingehend analysieren. In Zusammenarbeit mit internationalen Wissenschaftern sollen Statistiken und Landnutzungsdaten ausgewertet werden, um eine globale "HANPP-Zeitreihe" erstellen zu können. Sie soll vom 18. bis ins 20. Jahrhundert reichen und Aufschluss darüber geben, wie sich der Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft auf die Ökosysteme ausgewirkt hat.

Die Forscher interessiert vor allem, wie sich der Verbrauchsanteil der Nettoprimärproduktion durch menschliche Aktivitäten verändert hat und welche Faktoren in natürlichen und sozioökonomischen Systemen zu diesen Veränderungen geführt haben.

Für Haberl zählen unter anderem der zunehmende Wohlstand oder landwirtschaftliche Technologien zu den wesentlichen Parametern. Aber auch natürliche Beschränkungen wie die Beschaffenheit von Erdböden oder das Klima sollen in die Analyse mit einbezogen werden.

Ziel der Studie ist aber natürlich auch ein Blick in die Zukunft. Das vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Projekt sieht die Erstellung von Modellrechnungen vor, die mögliche Konsequenzen für die globale Nachhaltigkeit abschätzbar machen. Hier wird von der Hypothese ausgegangen, dass die intensive menschliche Landnutzung die Produktivität der Ökosysteme verändert und auch deren Belastbarkeit einschränkt.

So stellt sich die Frage, ob die Ökosysteme unter den veränderten Bedingungen beispielsweise nach wie vor in der Lage sind, Abfall und Emissionen im bisherigen Ausmaß aufzunehmen. Als langfristige Konsequenzen sehen Wissenschafter unter anderem Veränderungen in der Verfügbarkeit von Biomasse sowie in Wasser-, Kohlenstoff- und Stickstoffflüssen.

Man will damit erreichen, dass die bisher kaum erforschte Landdominanz des Menschen in Zukunft bei nachhaltigen Entwicklungsstrategien berücksichtigt wird. Der Bio-Sprit braucht besonders viel Fläche, weil der Energieertrag pro Flächeneinheit verhältnismäßig gering ist, sagt Haberl und plädiert dafür, dass der bereits errechnete hohe Druck auf die Ökosysteme nicht durch überzogene Pläne zum Ersatz von Fossilenergie durch Biomasseenergie weiter verstärkt wird. (Johanna Kober/DER STANDARD, Printausgabe, 23.7.2008)