Brüssel/Wien - Autobusse, voll mit britischen, polnischen oder portugiesischen Senioren, die sich in Österreich auf Kosten der heimischen Kassen künstliche Hüftgelenke einsetzen lassen oder auf teure Operationen warten und damit heimische Kranke von den Wartelisten verdrängen: ein weiterer EU-Mythos, der keiner Überprüfung standhält.

Bereits jetzt ist es jedem EU-Bürger möglich, sich in jedem EU-Land behandeln zu lassen, vorausgesetzt, die eigene Krankenversicherung genehmigt es. Im aktuellen "Gesetzesvorschlag zu größerer Patientenmobilität" will die EU-Kommission nun diese Genehmigung für ambulante Behandlungen abschaffen. Demnach könnten Österreicher dann in Ungarn, Slowenien oder Deutschland zum Wahl-zahnarzt gehen, allerdings müssten sie die Kosten vorerst selbst zahlen. Die heimische Krankenkasse wäre dann verpflichtet, das Honorar zu ersetzen - allerdings nur bis zur Höhe, die bei gleicher Behandlung auch im Inland entstanden wäre. Medizinische Dienstleistungen, die im Inland nicht von der Krankenkasse gedeckt sind, werden auch im Ausland nicht bezahlt.

Wer hingegen eine Spitalsbehandlung im EU-Ausland durchführen lassen will, muss weiterhin vorerst seine Krankenkasse fragen. Stimmt diese zu - etwa weil im Inland die Kapazitäten fehlen und die Zeit drängt - muss der Patient dennoch alles vorerst selbst wie ein Privatpatient zahlen und kann sich das Geld danach von seiner Kasse je nach Vereinbarung zurückholen. Eine Direktverrechnung zwischen nationalen Krankenkassen und EU-Spitälern ist vorerst nicht geplant.

Da die Vorfinanzierung etwa eines Spitalsaufenthalts mit größerer Operation die finanziellen Möglichkeiten vieler Patienten übersteige, werde es kaum zu einem Boom kommen, meint man in der Kommission. Keinesfalls komme es durch die Regelung zu Mehrkosten für das Gesundheitssystem. Patienten aus Ländern mit niedrigeren Spitalssätzen - wie etwa Rumänien, Bulgarien oder Polen - müssten bei Aufenthalten in Spitälern teurerer Länder wie Deutschland oder Österreich die Differenz aus eigener Tasche zahlen.
Nicht betroffen von der Regelung sind unvorhersehbare Spitalsaufenthalte im EU-Ausland etwa nach einem Unfall. Hier gibt es Direktverrechnungen mit der heimischen Krankenkasse.

Bei jährlichen Gesundheitsausgaben in der EU in der Höhe von 1000 Milliarden Euro entfällt ein Prozent davon - also zehn Milliarden Euro - auf medizinische Behandlungen in einem anderen EU-Staat. (Michael Moravec/DER STANDARD, Printausgabe, 30.7.2008)