Jeweils montags und donnerstags eine Stadtgeschichte Thomas Rottenberg

Es war heute. Da landete ein Mail in meiner Box, das ein Kollege weiter geleitet hatte. Denn der Kollege ist kein Radfahrer. Kein Stadtradfahrer (er wohnt ziemlich weit außerhalb - und aus dem Leistungssportalter ist er schon raus) Und weil Herr P., der Urheber des Mails, sich in seinem Schreiben intensiv mit der Realität des Stadtradfahrens auseinandersetzt, meinte der freizeit- und sportradelnde Kollege, dass P. wohl bei Leuten wie mir besser aufgehoben sei.

Herrn Ps. Mail verstand sich als Denkanstoß. Jedenfalls habe ich es so aufgefasst. Und in der aktuellen/ewigen Radlerdebatte dürfte einiges von dem, was Herr P. da denkt und schreibt, auf rege Zustimmung und ebenso heftigen Widerspruch stoßen. Gerade weil einiges banal ist, Herr P. auch vor Binsenweisheiten nicht zurückschreckt - und dennoch mitunter den Nagel auf den Kopf trifft. Oder dort hin zeigt, wo es weh tut.

Aber weil es einfach spannender ist, wenn viele Menschen über ein Original plaudern, als wenn einer draus Halbheiten zitiert, höre ich hiermit schon auf - und überlasse die Bühne Herrn P. und seinem "Überlebenskodex für Radfahrer".

P. schreibt Überlebensregeln für Radfahrer.

"Ich fahre gerne mit dem Auto. Ich habe nun 50 Jahre den Führerschein. Ich fahre seit meinem 12. Lebensjahr Fahrrad. Ich fahre immer noch gerne beinahe täglich mit dem Rad. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich diese Überlebensregeln ohne Rücksicht auf undurchsetzbare Vorschriften etwas provozierend formuliert habe. Vielleicht geling es, etwas Diskussion und Nachdenken hervorzurufen."

"- Bedenke: Dein gefährlichster Feind ist das Auto!"

"- Wenn Dich der Autofahrer sieht, wird er auf Dich Rücksicht nehmen. Also tue alles, damit er Dich sieht."

"- Wenn sich ein Autofahrer über Dich ärgert, hat er Dich gesehen. Also habe keine Scheu, ihn fallweise zu ärgern."

"- Fahre am Gehsteig, wenn am Gehsteig genug Platz ist. Du bist sicher, es ist zwar verboten, aber es wird überall toleriert. Als netter Mensch sei aber auch nett zu den Fußgängern damit Du nicht anstatt überfahren zu werden von einem erbosten Fußgänger ermordet wirst."

"- Wenn Du auf einer Straße fährst, fahre nicht brav am rechtesten Rand der Fahrbahn gleich neben dem Gehsteig. Alle rauschen an Dir vorbei und beachten Dich nicht und Du bist ziemlich lange im toten Winkel eines LKWs. Fahre mit einem Meter Abstand zum Gehsteig. Der Autofahrer ärgert sich, hat Dich bemerkt und Du hast noch einen Meter Reserve um nach rechts zu flüchten."

"- Benutze auch als Radfahrer den Zebrastreifen, wenn genug Platz dazu ist. Die Autofahrer sind nette Leute und werden Dich wie einen Fußgänger respektieren. Du bist sicherer."

"- Hüte Dich vor den aufgemalten Alibi-Fahrstreifen für Radfahrer, besonders wenn sie sich in Straßenmitte links von der Abbiegespur befinden. Die Trennlinie wird von jedem Autofahrer bei dem geringsten Anlass überfahren, besonders dann, wenn er Dich nicht sieht, weil Du im toten Winkel seines Rückspiegels bist."

"- Achte darauf, dass man Dich bei Dunkelheit bemerkt. Da gibt es ein paar ganz gute Dinge: Die wichtigsten und wirkungsvollsten Hilfsmittel sind diese gelben Rückstrahler, die man in den Speichen der Räder befestigt. Sehr gut sind die nach hinten gerichteten Leuchten mit drei blinkenden roten Leuchtdioden. Sehr gut, besonders für Kinder, sind reflektierende dünne Westen, wie sie in z.B. Belgien sehr gebräuchlich sind."

Schlussfrage

„Zum Abschluss eine Frage an alle Anhänger von undurchsetzbaren Vorschriften: Warum verbieten wir in Österreich nicht alle Autos, die schneller als 130 km/h fahren können, da man doch in Österreich (und in allen Nachbarländern - ausgenommen ca. 50% der deutschen Autobahnen) nirgendwo schneller als 130 km/h fahren darf ?"(Thomas Rottenberg, derStandard.at, 28. Juli 2008)