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Man schaut dabei nur nach vorn, ist auf ein Ziel gerichtet, man stapft, und es ist vielleicht gesund, aber es ist nicht lustig.

Foto: APA/Silberregion Karwendel

Yvonne hatte Trekkingschuhe an, als sie ins "Holland" kam. "So, so, jetzt ist also Wandern dran? Seit wann?", fragte Zora. "Erst diese Saison so wirklich", tat Yvonne wissend. "Das macht man jetzt wegen der neuen Einfachheit." "Das macht man jetzt wegen der neuen Eintönigkeit", sagte Zora. "Solange du selbst nicht mitmachst bei diesem Wanderbiedermeier, Yvonne, ist es ja egal."

"Wieso soll sie nicht wandern?", verstand Leslie nicht. "Weil wandern schwabo ist: Man schaut dabei nur nach vorn, ist auf ein Ziel gerichtet, man stapft, und es ist vielleicht gesund, aber es ist nicht lustig." Und überhaupt, so fand Zora, sei Wandern nur was für Romantiker. Und Romantiker seien genau die, die das Glück kaputtmachten. "Die leben nur in Vorstellungen und verschmähen das Leben. Das sind diese Übermorgen-Menschen, die sich dauernd nach was sehnen. Die allerschlimmsten Heulsusen."

Yvonne fand, dass Zora sich in einen Sturm hineingeredet hatte, und sie wollte sich von ihr nicht ihre Freizeitaktivitäten vermiesen lassen. "Nicht alle, die wandern, sind Romantiker", wehrte sie sich. "Hauptsächlich schon", sagte Zora, "oder sie laufen Gefahr, so richtig romantisch zu werden, sobald sie wandern. Denn dann verfallen sie wegen der ganzen Natur rundherum in Sentimentalitäten und werden so zu brutalen Egoisten."

"Ich fahre sowieso lieber in den Baumarkt", sagte Leslie, die die Berge nicht mochte, weil sie von einem Moment auf den anderen ihre Schroffheit zeigten und das, obwohl sie gerade vorher noch so getan hatten, als seien sie wiesenweich und bezwingbar und voller Salamander in den Sonnenspalten. "Aber Baumarkt gibt es doch nicht am Sonntag", sagte Yvonne. Zora wusste mehr: "Leslie fährt mittlerweile am Sonntag sogar in die Slowakei, weil der Baumarkt dort offen hat."

Leslie, die Suchtanfällige, warf sich eine dieser "Holland"-Kuscheldecken über ihr verschämtes Gesicht: "Findet ihr nicht, dass dieser Juli am Ende zu kalt geraten ist?" (Adelheid Wölfl/Der Standard/ rondo/01/08/2008)