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Zur Person


J. Chambers (58) ist seit 1995 Cisco-CEO. Mehr als 75 Prozent der weltweit elektronischen Daten reisen heute durch Cisco-Netze.

Foto: REUTERS/Gil Cohen Magen

STANDARD: Wie sieht das erfolgreiche Unternehmen der Zukunft aus?

Chambers: Ich bin in meiner Ansicht über die Evolution von Unternehmen sehr radikal. Das Unternehmen der Zukunft ist zwar möglicherweise entlang traditionellen Funktionen wie Verkauf, Marketing, Engineering, Human Resources, Rechtsabteilung, Fertigung etc. organisiert und wird formal ein Leitungsteam haben, aber sehr viel mehr Verantwortung wird in die Tiefen der Organisation delegiert werden. Das ermöglicht größeres Tempo, mehr Produktivität und bessere Entscheidungen in komplexen Umfeldern.

STANDARD: Welche Rolle wird dabei Interaktion via Web 2.0 spielen?

Chambers: Ohne Web-2.0-Technologien wird das nicht möglich sein. Das wird auch Scherben geben: Ein erheblicher Teil des jetzigen Führungspersonals, auch bei Cisco, wird diese Veränderung von einem Kontrollmodell - von "Das ist mein Produkt, mein Bereich" - zu einer Atmosphäre der Kollaboration nicht schaffen. Wir haben 15 bis 20 Prozent unseres Managements, die diesen Wechsel nicht vollziehen konnten, in den vergangenen sechs Jahren an andere Unternehmen verloren. Man kann jemanden, der komplett darauf setzt, sein Schicksal selbst zu kontrollieren, nicht beibringen, dass die Gruppe Entscheidungen darüber trifft, was richtig ist.

STANDARD: Das ist gegenwärtig Aufgabe der Spitzenmanager, diese Transformation zu ermöglichen ...

Chambers: Die Menschen und die Unternehmenskultur davon zu überzeugen ist der schwierigere Teil meines Jobs, die Einschätzung der Evolution der Technologie vergleichsweise leicht. In dem Maß, in dem Produkte komplexer werden, in dem das Produktportfolio wächst, werden sich solche Councils oder Boards oder Arbeitsgruppen oder wie immer man diese Teams nennen will, rasch vermehren. Es geht nicht mehr um One-to-One-Beziehungen, es geht um Many-to-Many. Ich glaube, dass diese die nächste Generation des Managements sein werden, nicht nur weil sie intellektuell anregend sind, sondern weil ihre Produktivität größer ist und weil jedes Mitglied sein Wissen einbringt.

Dazu wird alles, von YouTube und Wikis über soziale Netzwerke wie Facebook bis zu gemeinsamen Kontaktlisten, die je nach Aufgabe anders aussehen, herangezogen. So kann man z. B. für ein Projekt nach Experten suchen, über Facebook-Resümees, man kann checken, ob sie verfügbar sind und über welche Technologie man am besten in direkten Kontakt tritt. So eine Recherche hätte früher immens viele Personen und Zeit gebraucht, das geht jetzt erheblich schneller. Wir machen das bereits.

STANDARD: Cisco hat eine Reihe von Start-ups gekauft, welche Rolle spielen die in Ihrer Entwicklung?

Chambers: Die Definition von Innovation wird in Zukunft sein: Wie ist man selbst innovativ? Mit wem geht man Partnerschaften ein? Was kauft man dazu? Wir werden uns gleichzeitig auf allen drei Ebenen bewegen. In Hinblick auf eigene Innovation: Fast kein Unternehmen war mit internen Start-ups erfolgreich, meist scheitern sie an der Unternehmenskultur. Uns ist das bei vielen Dingen gelungen, von IP-Telefonie bis zu Telepresence. Wir haben 130 Firmen zugekauft und bei 70 Prozent haben wir geschafft oder sogar übertroffen, was wir wollten - und das in einer Industrie, in der wahrscheinlich 90 Prozent der Übernahmen versagen. (Helmut Spudich, DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.8.2008)