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Der russische Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn starb 89-jährig in Moskau.

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Moskau -  Der Sowjetdissident und spätere Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn ist tot. Er ist am Sonntagabend im Alter von 89 Jahren an Herzversagen gestorben, wie sein Sohn Stepan am Sonntag der Nachrichtenagentur AP sagte. Nach Angaben seiner Familie trat der Tod am Sonntag um 23.45 Uhr Moskauer Zeit (21.45 Uhr MESZ) ein. Der Autor galt seit Monaten als extrem geschwächt, weshalb er öffentliche Auftritte mied.

Bis zu seinem Tod habe der Schriftsteller trotz seiner langen Krankheit aktiv gearbeitet, sagte sein Sohn Stepan der Agentur Itar-Tass. Solschenizyn arbeitete unter anderem an der Herausgabe seines Gesamtwerkes in 30 Bänden, die bis 2010 im Moskauer Verlag Wremja erscheinen sollen.

Bei der Verleihung des Staatspreises, der höchsten Auszeichnung Russlands, im Juni 2007 war der frühere Sowjetdissident schwer vom Alter gezeichnet. Zu Sowjetzeiten hatte der Schriftsteller eine Ehrung durch das System stets abgelehnt. Als er die Auszeichnung für humanitäre Verdienste annahm, beschwor der Autor im vergangenen Jahr die geistige Einheit seines Landes. Nur so seien die bitteren Erfahrungen vergangener Jahre zu überwinden und neue unheilvolle Schicksalsschläge abzuwenden.

Kritiker: Antisemitische Haltung

Seit seinen letzten Schriften zur Geschichte des Judentums in Russland und der früheren Sowjetunion ist er allerdings umstritten, weil er russischen Juden auf Grundlage dürftiger Quellen eine Mitschuld an der kommunistischen Diktatur gegeben hatte. Stalin selbst hatte bei "Säuberungsaktionen" in den 1930er Jahren viele Juden töten lassen. Auch während seines Exils in den USA hatten Kritiker Solschenizyn eine antisemitische Haltung vorgeworfen.

Solschenizyn verbrachte wegen seiner Kritik an Stalin schon nach dem Zweiten Weltkrieg Jahre in Gefangenenlagern. Nach einer kurzen Karriere in der Sowjetunion als Literat Anfang der 1960er Jahre fielen seine als zu politisch betrachteten Werke in Ungnade. 1970 wurde er mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet und musste schon bald ins Exil gehen.

Literarisches Denkmal: "Archipel Gulag"

Als Solschenizyns Hauptwerk gilt der dreibändige Dokumentarroman "Archipel Gulag" (1973), in dem er mit Tausenden von Beispielen den stalinistischen Terror in der Sowjetunion darstellt. Den Terror hatte Solschenizyn in neun Jahren Straflager und Verbannung selbst zu spüren bekommen und bereits 1962 in seinem ersten Werk "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch" geschildert. Als ihm 1970 der Nobelpreis verliehen wurde, verweigerte ihm das Sowjet-Regime aber die Ausreise zur Preisübergabe.

Solschenizyn schloss sich einer Gruppe Bürgerrechtlern an, wurde 1974 verhaftet, ausgebürgert und in die Bundesrepublik Deutschland abgeschoben. Aufnahme fand er hier zunächst beim Schriftsteller Heinrich Böll, später zog er in die Schweiz. 1976 zog mit seiner Familie auf eine Farm nahe der Kleinstadt Cavendish im US-Staat Vermont.

Im Westen war Solschenizyn in den Folgejahren die Rolle des Mahners, Moralisten und Propheten zugewachsen, der in Vorträgen und Interviews immer wieder eindringlich vor übertriebener politischer Konzessionsbereitschaft gegenüber der Sowjetunion warnte. Sein religiös motivierter moralischer Rigorismus, mit dem er auch die westlichen Demokratien kritisch bewertete, fand gleichermaßen Anklang und Ablehnung.

"Moralisches Wohlergehen" des eigenen Volkes

Solschenizyn kehrte 1994 nach Russland zurück. Dort kritisierte er fehlgeleitete Reformen und den Mangel an Demokratie unter dem damaligen Präsidenten Boris Jelzin. Als Mahner für ein Russland auf der Grundlage von Gemeinsinn und orthodoxem Glauben fand Solschenizyn aber immer weniger Gehör. Wiederholt forderte der Schriftsteller, Russland dürfe die westliche Demokratie "nicht ohne Verstand nachäffen", sondern müsse sich mehr um das "moralische Wohlergehen" des eigenen Volkes kümmern.

Bei der Verleihung des Staatspreises, der höchsten Auszeichnung Russlands, im Juni 2007 war der frühere Regimekritiker schwer vom Alter gezeichnet. Seine Dankesrede ließ er im Kreml über eine Videobotschaft einspielen. (APA/red)