Die Stimmung in Österreich, sagt eine aktuelle Umfrage, ist so schlecht wie seit 35 Jahren nicht. 67 Prozent der Österreicher meinen, dass es ihnen in einem Jahr schlechter gehen wird als heute. Im Hinblick auf die Wahlen ziehen die Politologen den einhelligen Schluss: Das ist schlecht für die beiden großen Parteien.

Da hilft es wenig, dass es uns objektiv immer noch erstaunlich gut geht. Nach wie vor gehört Österreich zu den reichsten Ländern der Welt, die Arbeitslosigkeit ist niedrig und der soziale Frieden nach wie vor stabil. Aber wenn die Politiker auf diese Pluspunkte hinweisen, macht es uns trotzdem keinen Eindruck. Die Stimmung hängt nun einmal nicht vom Ist-Zustand der Gesellschaft ab, sondern von dem, was man sich von der Zukunft erwartet. Wer sagt: "Jetzt geht's mir schlecht, aber morgen wird es mir besser gehen" , ist erfahrungsgemäß guter Laune. Wer aber sagt: "Heute geht's ja noch, aber wer weiß, was morgen wird" , ist grantig.

Die Österreicher sind derzeit in hohem Maße grantig. Und so eine Grundstimmung hilft den Populisten aller Couleurs. Wer Protestparteien wählen will, möchte damit wohl vor allem seinem Frust Luft machen. Ein Denkzettel soll abgeliefert werden, nach neuesten Prognosen in der Größenordnung von bis zu 25 Prozent der Wählerstimmen. Meinen die Grantigen wirklich, dass ihre Auserwählten die Zukunftsprobleme lösen können? Trauen sie es dem schlagenden Dentisten Strache zu, das Pensionssystem zu sanieren? Erwarten sie sich vom Ausländer-Abschieber Haider im Ernst, dass mit dieser Methode die Krankenkassen wieder solvent werden? Kann Dinkhauser die Inflation stoppen? Wohl nicht. Die drohende Welle des Rechtspopulismus scheint eher ein Ausdruck hilflosen Grants zu sein. Es ist wie bei der Anti-EU-Agitation. Man weiß, dass man ohne EU nicht besser dastünde, will es "denen da oben" aber einmal zeigen. Gefährlich ist all das trotzdem.

Wie sollten die vernünftigen Parteien auf diese Situation reagieren? Der Satz "die Sorgen der Menschen ernst nehmen" sollte keine leere Phrase bleiben. Er könnte auch bedeuten: Ja, kann sein, dass es uns morgen schlechter geht. Wir werden möglicherweise länger arbeiten müssen, uns mehr anstrengen müssen, solidarischer teilen, mehr Geld für Bildung und Pflege ausgeben, weniger Auto fahren, und all das wird nicht ohne Einschränkungen abgehen. Aber es ist zu schaffen.

Das Schlechteste wäre ein Wahlkampf, in dem Beruhigungspillen ausgeteilt würden. Wir leben in einer Übergangsphase und für viele Österreicher ist es nicht leicht, von ihrer Insel der Seligen Abschied zu nehmen. Die heile Welt der 60er-Jahre, ohne Zuwanderer, ohne Globalisierung, ohne Wirtschaftskrisen, gibt es nicht mehr. Die österreichische Bevölkerung ist überaltert, verängstigt und verunsichert. Aber das heißt nicht, dass man ihr nicht reinen Wein einschenken kann. Churchill hat mit der Losung "Blut, Schweiß und Tränen" seine Nation hinter sich geschart. So weit ist es in Österreich bei weitem nicht. Aber wenn die Straches und Haiders aus der Verunsicherung Kapital schlagen, sollten ihnen die Verantwortungsvollen entschlossen entgegentreten. Die Österreicher sind zwar grantig - aber nicht notwendig bescheuert. (Barbara Coudenhove-Kalergi/DER STANDARD Printausgabe, 13. August 2008)