Die ÖVP ist auf der Suche nach einer einheitlichen Linie, wie und wann Familien entlastet werden sollen - Die SPÖ zeigt sich bemüht, das Thema im Wahlkampf möglichst schnell vom Tisch zu bekommen.

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Wien - SPÖ und ÖVP liefern sich im Wahlkampf zunehmend einen Kampf um die Gunst von Familien. Verwirrung herrscht aber darüber, welche Maßnahmen nun wirklich noch vor der Wahl am 28. September kommen sollen. Vor allem in der ÖVP gab es am Mittwoch noch keine einheitliche Linie: Der Zweite Nationalratspräsident Michael Spindelegger will noch vor der Wahl gleichzeitig mit der 13. Familienbeihilfe ein verpflichtendes Gratiskindergartenjahr für Fünfjährige beschließen. Auch ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon verknüpfte die Familienbeihilfe mit dem Gratiskindergartenjahr. Im Gegensatz zu Spindelegger sprach er sich im Ö1-"Mittagsjournal" aber für einen Beschluss erst nach der Wahl aus. Der Grund: Der Kindergarten sei Ländersache und müsse daher erst mit diesen verhandelt werden.

Molterer: Kein Junktim

Im Büro von ÖVP-Chef und Vizekanzler Wilhelm Molterer hieß es wiederum, es gebe keine Verknüpfung der beiden Themen. Beim Kindergartenjahr brauche es umfassende pädagogische Vorarbeiten, und die Finanzierungsfrage müsse mit den Ländern geklärt werden. Daher sei das ein Projekt für die nächste Regierung, sagte ein Sprecher des ÖVP-Chefs. Die 13.Rate der Familienbeihilfe kann nach den Vorstellungen Molterers allerdings schon vor der Wahl beschlossen werden. Zusatz: Es brauche aber gleichzeitig "weitere Perspektiven für Familien". Welche das sein sollen, konnte im Finanzministerium auch am Mittwoch nicht beantwortet werden.

In der SPÖ vermutet man, dass die ÖVP noch auf der Suche nach einer geeigneten Junktimierung sei, weil sie einen Beschluss vor der Wahl verhindern wolle. Schließlich würden die Schwarzen dann um ein Wahlkampfthema umfallen. Die Roten sind daher bestrebt, größtmögliche Flexibilität bei der Erfüllung schwarzer Forderungen an den Tag zu legen, heißt es im Umfeld von SPÖ-Spitzenkandidat Werner Faymann.

Bildungsministerin Claudia Schmied zeigte sich daher auch "erfreut" über die Aussagen Spindeleggers, noch vor der Nationalratswahl ein Familienpaket schnüren zu wollen. Sie verwies aber auch auf die SPÖ-Position, wonach das Kindergartenjahr ein "Bildungsjahr" sein solle, bei dem die Kinder "spielerisch auf den Schuleinstieg" vorbereitet werden sollen. Im Unterschied zur ÖVP will die SPÖ die Betreuung der Fünfjährigen auch am Nachmittag gratis anbieten.

Zehn Stunden Bildung

Die Arbeiterkammer hat auch bereits ein konkretes Konzept für das verpflichtende Kindergartenjahr vorgelegt. Zwei Wochenstunden sollen demnach für mathematische Frühförderung, vier Stunden für "Sprache, Sprechen, Vorbereitung auf Lesen und Schreiben" reserviert werden. Zwei weitere Stunden sollten laut AK-Plan der "Sachbegegnung" dienen, etwa dem Bewusstmachen sozialer Spielregeln und Umgangsformen. Je eine Stunde wäre für Werkerziehung und rhythmisch-musikalische Erziehung geplant. (go, APA/DER STANDARD, Printausgabe, 14.8.2008)