Wien - Sechs von zehn Österreichern sprechen sich für einen Verbleib in der EU aus. Das ergab eine Umfrage des Instituts für empirische Sozialforschung (IFES). Ein Drittel der österreichischen Bevölkerung würde einen Austritt aus der Europäischen Union begrüßen. Im Gegensatz zu der letzten Eurobarometer-Umfrage, bei der nur 28 Prozent der Österreicher das Bild der EU positiv gesehen haben, zeigt sich die EU-Stimmung im Land laut der IFES-Studie deutlich optimistischer. Trotzdem bestehe Handlungsbedarf, das Grundvertrauen der Österreicher und ihre Informiertheit über die Europäische Union zu stärken. Im Auftrag der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) wurden zwischen 28. Juni und 8. Juli bundesweit 1.000 Österreicher telefonisch befragt. Die Umfrage liegt der APA vor.

Faktor Schulbildung

Ein wesentlicher Faktor für die Einstellung zur Europäischen Union ist die Schulbildung. Während Pflichtschulabsolventen eher zu einem Austritt aus der EU tendieren, überwiegt bei den anderen Bildungsschichten eine pro-europäische Haltung: so sprechen sich etwa Personen mit Matura (75 Prozent) oder Hochschulabschluss (87 Prozent) deutlich für die EU aus.

Auch das Mediennutzungsverhalten der Österreicher ist aufschlussreich: Bei Lesern der "Kronen Zeitung" halten sich Befürworter und Gegner eines Austritts fast die Waage (46 Prozent für, 42 Prozent gegen Austritt). Größere Vorbehalte gegen die EU haben Leser der "Ganzen Woche". Die Hälfte von ihnen würde lieber heute als morgen aus der EU austreten. Bei den Konsumenten aller anderen Tageszeitungen überwiegt laut der IFES-Umfrage klar eine positive Einstellung. Auch derzeitige kritische EU-Diskussionen hätten sich auf das Stimmungsbild bisher nicht negativ ausgewirkt. Eine Mehrheit der Österreicher (52 Prozent) hält die Befürwortung des EU-Beitritts bei der Volksabstimmung 1994 nach wie vor für die richtige Entscheidung.

Hohe Wahlbeteiligung möglich

Die Teilnahmebereitschaft der österreichischen Bevölkerung an den 2009 stattfindenden Wahlen zum Europäischen Parlament ist nach Einschätzungen der ÖGfE ebenfalls sehr hoch: 40 Prozent gaben an, daran sicher teilnehmen zu wollen, weitere 31 Prozent "eher schon". Eine ausgeprägte EU-Verdrossenheit lasse sich laut der Studie aus diesen Daten nicht ablesen. Knapp zwei Drittel der Bevölkerung würden die EU-Wahlen für zumindest gleich wichtig wie die österreichischen Nationalratswahlen halten. Rund die Hälfte der Bevölkerung glaubt an einen großen Einfluss des EU-Parlaments auf die Entscheidungen in der Europäischen Union, ein Drittel geht von eher geringen Mitsprachemöglichkeiten aus.

Schlechter sieht es mit der Informiertheit der Bevölkerung aus: Nur ein Viertel der Befragten bezeichnet sich als gut informiert über die Arbeit und die Aufgaben des Europäische Parlaments (EP). Hinsichtlich der Arbeit der österreichischen Abgeordneten im EU-Parlament ist das Wissen noch geringer, nur 14 Prozent fühlen sich darüber gut informiert. Drei Viertel der Befragten wünschen sich über das Europäische Parlament als auch die Arbeit der österreichischen EU-Abgeordneten mehr Aufklärung. Diese sollte sich über die Massenmedien Fernsehen (74 Prozent) und Radio (53 Prozent), regelmäßige Newsletter im Internet (40 Prozent) und lokale Informationsveranstaltungen (37 Prozent) abspielen. Rund die Hälfte der Bevölkerung schreibt dem EP großen Einfluss auf die EU-Entscheidungen zu.

Aus für Reformvertrag

Nach dem "Nein" der Iren zum EU-Reformvertrag im Juni dieses Jahres glaubt die Mehrheit der Österreicher (56 Prozent), dass es zu diesem Reformvertrag nicht mehr kommen wird und dieser neu ausverhandelt werden muss. Dass ein einziges Land "die Entwicklung der gesamten Union blockieren" kann, finden 48 Prozent demokratisch, 45 Prozent halten es demokratiepolitisch für problematisch. Ein Viertel ist dafür, dass jene Staaten, die den Vertrag bereits ratifiziert haben, diesen auch umsetzen sollten.

Befragt nach den Auswirkungen des geplanten EU-Reformvertrags zeigt sich etwa ein Fünftel der Umfrage-Teilnehmer überfordert. Vier von zehn Personen befürchten, dass infolge des Reformvertrages die Gemeinden in ihren Kompetenzen beschnitten würden und dass das Land in Zukunft an militärischen Aktionen verpflichtend teilnehmen müsse. Ebenfalls vier von zehn Befragten glauben, der Reformvertrag habe die Abschaffung der österreichischen Neutralität zur Konsequenz. 46 Prozent meinen aber, dies sei nicht der Fall. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Bevölkerung geht davon aus, dass sich Österreichs Mitsprachemöglichkeiten innerhalb der EU verringern würden. Auch wussten nur 35 Prozent der Befragten darüber Bescheid, dass der Reformvertrag den Austritt aus der EU ermöglichen würde. Die Studie plädiert daher für gezielte Informationsmaßnahmen. (APA)