Eine Woche vor einem "Heimspiel" in der New Yorker Knitting Factory stellte Marc Ribot seine jüngste CD "Party Intellectuals" mit der Band Ceramic Dog im kleinen aber feinen Club "Step" in Völkermarkt in Kärnten vor. Ribot brachte dafür seine Harmony Stratotone, eine von Gitarren-Aficionados hoch geschätzte Kaufhausgitarre aus den 50er Jahren mit.

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Marc Ribot's Ceramic Dog: "Party Intellectuals" (Enja Records 2008)

Foto: Enja Records

Den knochentrockenen, vor sich hinstolpernden Tonkaskaden, mit denen Marc Ribot mehrere Alben von Tom Waits, beginnend mit "Rain Dogs" (1985), geprägt hat, verdankt der New Yorker Gitarrist einen großen Teil seiner Bekanntheit. Seine Arbeit als gefragter Sideman für Größen wie Elvis Costello, Marianne Faithful, T Bone Burnett und zuletzt Robert Plant & Alison Krauss macht indessen nur eine Facette im musikalischen Universums des keine Genregrenzen respektierenden Eklektikers aus.

"Womit ich vor allem assoziiert werde, ist eine Art Anti-Rock, der statt auf Power Chords auf Dünnheit und Zerbrechlichkeit setzt", gab Ribot in Anais Prosacis schöner Filmdokumentation über ihn, "The Lost String", zu Protokoll. Seinen ironisch gebrochenen, zitierfreudigen Gitarrenstil entwickelte Ribot im Umfeld der New Yorker Avantgarde-Szene der 80er Jahre, unter anderem als Mitglied von John Luries Lounge Lizards. Bis heute arbeitet Ribot regelmäßig mit dem Saxofonisten und Komponisten John Zorn zusammen.

Filth, Beauty, Airline Food, Horse Racing

"Ich versuche mir eine Rock-Geschichte vorzustellen, die Ornette Coleman und Albert Ayler inkludiert", so Ribot, der gleichzeitig an Chuck Berry und Keith Richards als musikalischen Vorbildern festhält. Dass er seine jüngste Formation Ceramic Dog als "erste Rock-Band seit High-School-Tagen" bezeichnet, ist vor diesem Hintergrund mit Vorsicht zu genießen. Auf der MySpace-Seite von Ceramic Dog werden als Einflüsse genannt: "Filth, Beauty, Airline Food, Horse Racing".

Zum Bandnamen finden sich ebendort noch folgende Hinweise: "chien du faience: expression: frozen with emotion, as in the perfectly still moment before a fight breaks out. 2. Ultimate kitsch object. 3. A free/punk/funk/experimental/psychedelic/post electronica collective". Ironische Bandnamen haben bei Ribot schon Tradition, so benannte er eine seiner Formationen mit dem jiddischen Namen für Horror, "Shrek". Als er sich der kubanischen Musik von Arsenio Rodriguez widmete, tat er dies unter dem Namen "Los Cubanos Postizos (The Prothetic Cubans)". Seine erste eigene Gruppe wiederum lief unter dem Titel "Rootless Cosmopolitains", einem Euphemismus, der mit Stalins antisemitischer Kampagne gegen Intellektuelle assoziiert ist. Als Titel für das Album-Debüt hat Ribot, der sich selbst immer wieder auch politisch zu Wort meldet und an der Gründung der Radical Jewish Culture Anfang der 90er Jahre beteiligt war, "Party Intellectuals" gewählt.

Break On Through

"One, two, one, two three" - mit Fuzz-verzerrter Gitarre im Lärmrausch, Prügelschlagzeug und wummerndem Bass nehmen sich Ribot, Shazad Ismaily und Ches Smith als Opener tatsächlich einen Rock-Klassiker vor. Allerdings kommt der Doors-Klassiker "Break On Throuhg" hier als Post-Punk-Nummer daher. Ribot hat nie ein Hehl aus seiner Bewunderung für Robert Quine gemacht, den Gitarristen von Richard Hell & The Voidoids und Lou Reed, der sich nicht auf seine Punk-Wurzeln einengen lassen sollte, und hier ist die Seelenenverwandtschaft der beiden Musikabenteurer deutlich zu spüren. Auf dem gleich anschließenden Titelstück "Party Intellectuals" laden Ribot und sein vermeintliches Power-Trio zur in einer Noise-Orgie kulminierenden Funk-Party.

"In Barcelona we viewed the Gaudi, in Frankfurt we drove in an Audi, in Monaco we struck it rich." Allerspätestens beim dritten Stück "Todo el Mundo es Kitsch", das mit Gastvokalistinnen und Ribots lakonischem Sprechgesang, begleitet von Pseudo-Lounge-Grooves aufwartet, muss klar sein, dass hier Ironie groß geschrieben wird.

Wie man aus wenigen Sound-Elementen und wieder mit Sprechgesang eine berührende, ungemein atmosphärische Elegie bauen kann, dafür darf "When We Were Young And We Were Freaks", inspiriert von einem an Aids verstorbenen Freund, als Lehrbeispiel gelten. Auf die Gentrifizierung Manhattans - Ribot, einst wie Elliott Sharp oder John Zorn ein Aushängeschild der Künstlerszene der Lower East Side, wohnt aus Kostengründen heute in Brooklyn - spielt der Song "Girlfriend" an. Mit "For Malena" hat der Gitarrist eine beschwingte, kleine Pop-Perle geschaffen, der in anderem Kontext wohl so etwas wie Hit-Potenzial zukommen würde.

Unter den Instrumentalstücken finden sich minimalistische Stücke wie das mit Tremologitarre, Banjo und Gerümpelperkussion eingespielte "Bateau", das stark an Ribots auf den Alben "Shoe String Symphonettes" (1997) und "Soundtracks Vol. 2" (2003) versammelte Filmmusikarbeiten erinnert. Am anderen Ende des musikalsichen Spektrums angesiedelt sind das Noise-Epos "Midost" oder der an verrückst spielende Videogames und Faxgeräte gemahnende Krautrocker "Digital Handshake", einer von vielen Titel, bei denen Moog Synthesizer eine tragende Rolle spielt.

Soul Man

Mit dem letzten Stück "Never Better" liefert Ribot eine Tour de force durch Stile von klassischer Surf-Gitarre bis zu Hendrix-Anklängen. Man hört hier, was Ribot auch in Interviews stets betont, dass seine Einflüsse von seinem klassischen haitanischen Gitarrenlehrer Frantz Casseus über die Jazz-Ikonen Django Reinhardt und Grant Green bis zu Howlin‘ Wolfs Gitarristen Hubert Sumlin, dem exzentrischsten und unberechenbarsten unter den Vertretern der elektrischen Blues-Gitarre, reichen.

Am nähesten an erkennbaren Vorbildern dran ist Ribot mit der Funk-Nummer "Pinch", die sich wie ein Duett aus den Soul-Licks von Steve Cropper und den Funk-Rhythmen von Cornell Dupree anhört. Eine kleine Verbeugung, die mit Ribots Anflängen in der Profi-Musikszene zu tun haben mag: Noch vor seiner Zusammenarbeit mit John Zorn oder Tom Waits begleitete Ribot als Mitglied der New Yorker Pickup-Band The Realtones, einer Begleitband für durchreisende Musiker, Soul-Größen wie Carla und Rufus Thomas oder Wilson Pickett. Das erste Album, an dem Ribot mitwirkte, "Soul Alive" von Solomon Burke, darf zu dessen besten Veröffentlichungen gezählt werden und besticht noch heute mit eleganten, perlenden Gitarren-Licks. Auf die Frage, was für eine Art Musiker er sei, gibt Ribot noch heute vorzugsweise die Antwort "a soul musician". Das wird, bei aller Ironie, auch auf "Party Intellectuals", einem der zugänglichsten und humorvollsten Solo-Alben des New Yorkers, nicht in Frage gestellt. (Karl Gedlicka, derStandard.at, 17. August 2008)