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Dass ein freiwilliger Schwangerschaftsabbruch psychische Beschwerden zeitigt, dafür gibt es keine wissenschaftlichen Beweise.

Boston - Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis, dass ein freiwilliger Schwangerschaftsabbruch psychische Beschwerden bei erwachsenen Frauen zur Folge hat. Dies geht aus einem Bericht der American Psychological Association (APA), der weltweit größten Vereinigung von PsychologInnen, hervor. Der Bericht wurde vergangene Woche bei der Jahresversammlung der Einrichtung in Boston präsentiert.

Die Arbeitsgruppe zu mentaler Gesundheit und Abtreibung bezieht ihre Schlussfolgerungen aus einer Vergleichsstudie, die alle seit 1989 in wissenschaftlichen Fachzeitschriften auf Englisch publizierten Studien zu dem Thema untersucht hat. Dazu gehören Studien, die den psychischen Gesundheitszustand von Frauen, die abgetrieben hatten, mit Vergleichsgruppen verglichen (50 Stück), ebenso wie Studien über Faktoren, die zu psychologischen Problemen bei Frauen nach einer Abtreibung in den USA führen können (23).

Gleiches relatives Risiko

Der Gruppe zufolge wiesen zahlreiche in dieser Periode publizierten Studien große methodische Probleme auf. Deshalb hielt man sich in der Untersuchung an jene Studien, die am methodisch ausgereiftesten erschienen. "Die Aussage mit der höchsten wissenschaftlichen Evidenz ist, dass unter erwachsenen Frauen, die ungewollt schwanger sind, das relative Risiko zu mentalen Gesundheitsproblemen nicht größer ist, wenn sie eine einmalige Abtreibung innerhalb der ersten drei Monate durchführen oder das Baby austragen", so die Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Brenda Major. Bei Mehrfachabtreibungen seien über das relative Risiko keine sicheren Angaben zu machen, fügte sie hinzu.

In mehreren Studien sei beschrieben worden, dass einige Frauen Trauer, Trostlosigkeit und Verlustgefühle nach einer Abtreibung erfahren. Bei manchen Frauen würden die Probleme bis zu klinisch signifikanten Beschwerden reichen, inklusive Depression und Angstgefühlen. Laut der Arbeitsgruppe fehlten aber die wissenschaftlichen Belege für die Behauptung, dass die beobachtete Verbindung zwischen Abtreibungsgeschichte und mentaler Gesundheit durch die Abtreibung per se verursacht wurde, im Gegensatz zu anderen Faktoren.

Andere Risikofaktoren

Der Bericht weist darauf hin, dass gleichzeitig auftauchende Risikofaktoren wie Armut und Gewalterfahrungen, bereits in der Vergangenheit aufgetretene emotionale Probleme sowie Drogen- und Alkoholkonsum, aber auch zuvor durchlebte ungewollte Geburten Frauen sowohl zu ungewollten Schwangerschaften als auch zu mentalen Problemen nach einer Schwangerschaft - unabhängig davon, wie sie ausgeht - prädestinieren. Fehler bei der Kontrolle dieser zusätzlichen Risikofaktoren hätten zu Ergebnissen geführt, die eine Verbindung zwischen Abtreibungsgeschichte und mentaler Gesundheit feststellen.

Die Arbeitsgruppe betont, dass Frauen aus vielen verschiedenen Gründen abtreiben und die Entscheidung dazu in verschiedenen persönlichen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Umständen treffen. Alle diese Faktoren können die mentale Gesundheit von Frauen nach einer Abtreibung beeinflussen. Globale Aussagen über die psychologischen Auswirkungen von Abtreibung seien deshalb irreführend, so die APA. Aus den Studien sei hervorgegangen, dass Frauen, die Druck von anderen verspürten, die Schwangerschaft zu beenden, oder die die Notwendigkeit verspürten, eine Abtreibung vor ihrer Familie und FreundInnen geheim zu halten, eher negative psychologische Folgen durch den Abbruch verspürten.

Verwirrende Zahlen

Kritisiert wurde von den Wissenschafterinnen außerdem die Darstellung der Zahlen über mentale Probleme nach einer freiwilligen, legalen Abtreibung in den USA. Der Prozentsatz sei nämlich gleich hoch wie das Vorkommen von vergleichbaren mentalen Problemen bei der weiblichen Gesamtbevölkerung in den USA.

Um der nötigen Erkenntnis von potentiellen psychologischen Folgen von Abtreibung auf die Spur zu kommen, sei der Einsatz von geeigneten Vergleichsgruppen (Frauen, die sich alternativ für Mutterschaft oder Adoption entschieden haben) notwendig, betonte die Arbeitsgruppe. Diese hätten den meisten Studien jedoch gefehlt. Die WissenschafterInnen forderten abschließend eine Forschung zu dem Thema, die dazu beiträgt, die ineinandergreifenden Faktoren zu entflechten. Ziel sei die Definition relativer Risikofaktoren von Abtreibung im Vergleich zu ihren Alternativen. (red)