Je besser das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen ist, desto höher ist auch die Beschäftigungsquote der Jungmütter.

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Wien - Frauen sind in Österreich traditionell seltener erwerbstätig als Männer. Zuletzt lag die Frauenbeschäftigungsquote bei 65 Prozent, jene der Männer bei immerhin 80 Prozent.
Wird ein aktueller Wahlkampfschlager - nämlich die Einführung eines verpflichtenden Gratiskindergartenjahres - tatsächlich umgesetzt, könnte diese Lücke geringer werden. Der Grund: Laut Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) würde ein Gratiskindergarten die Beschäftigungsquote von Müttern um durchschnittlich sieben bis zehn Prozentpunkte steigern, sagte Wifo-Forscher Helmut Maringer am Freitag im Gespräch mit dem Standard.
Die sieben bis zehn Prozent würden freilich nur dann eintreten, wenn der Kindergarten für alle Kinder gratis wird. Das fordern derzeit aber nur die Grünen.

Hochqualifiziert

SPÖ und ÖVP wollen vorerst nur das letzte Kindergartenjahr kostenlos anbieten - die SPÖ am Vor- und Nachmittag, die ÖVP nur am Nachmittag. Je eingeschränkter die Gebührenbefreiung ausfällt, desto weniger stark würde also auch die Frauenbeschäftigungsquote steigen, erläuterte Maringer.
Am Arbeitsmarkt hätten die Jungmütter jedenfalls gute Chancen. Statistisch gesehen sind sie höher qualifiziert als andere Gruppen mit niedriger Erwerbsquote.
Neben der Kostenfrage müsse man freilich auch die Qualität der Kindergärten mitdiskutieren, sagte Maringer. Auch davon hänge die Inanspruchnahme stark ab.
In dieselbe Kerbe schlug am Freitag Heidemarie Lex-Nalis von der Plattform Educare, einer Vereinigung von Kinderbetreuungseinrichtungen:"Wir brauchen ziemlich genau doppelt so viele Kindergartenpädagoginnen", sagte sie auf Ö1. Derzeit kämen auf eine Pädagogin 23 bis 28 Kinder, wünschenswert wären aber 15, sagte Lex-Nalis.

Sie glaubt, dass es genug Personal gäbe, nur 25 Prozent würden den Beruf tatsächlich ausüben: "Die Kindergärtnerinnen lernen während ihrer Ausbildung, was sie alles tun sollten, was notwendig wäre, und dann erleben sie Rahmenbedingungen, unter denen das gar nicht durchführbar ist. Das ist frustrierend, und wer die Möglichkeit hat, geht in einen anderen Beruf oder studiert weiter."
Auf politischer Ebene ist noch unklar, wie ein Gratiskindergartenjahr im Detail - vor allem pädagogisch - aussehen könnte. Laut Finanzministerium würde die kostenlose Vormittagsbetreuung für alle Fünfjährigen jedenfalls rund 63 Millionen Euro pro Jahr kosten, biete man auch den Nachmittag gratis an, würden sich die Kosten in etwa verdoppeln.

Sprachdefizit geprüft

Als Hauptgrund, warum ein Pflichtkindergarten vor der Schule nötig sei, wird stets angeführt, dass so Sprachdefizite von Kindern kompensiert werden sollen. Wie viele wirklich Probleme haben, ist allerdings noch unklar. Seit Mai wurde zwar österreichweit die Sprachkompetenz von viereinhalb- bis fünfjährigen Buben und Mädchen überprüft, die Ergebnisse liegen allerdings noch nicht vor. (Günther Oswald, DER STANDARD, Print, 23./24.8.2008)