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foto: reuters/foeger

Standard: Ist das wirklich ein zufrieden stellender Ausgang: dass jetzt dasselbe herauskommt wie vorher?

Gehrer: Es ist nicht dasselbe, weil sich die Kräfteverhältnisse sehr verändert haben. Der Wähler hat den ÖVP-Weg bestätigt, den wir konsequent weitergehen. Wir haben versucht, dafür Partner zu gewinnen. Aber die Kräfte hinter den Führungspersonen von SPÖ und Grünen haben diese Zusammenarbeit verhindert.

Standard: Welche Signale gab es da bei der SPÖ?

Gehrer: Ich war beauftragt, mit der SPÖ die zwischen Alfred Gusenbauer und Wolfgang Schüssel besprochenen Punkte zu finalisieren. Das ist nicht gelungen.

Standard: Woran lag das?

Gehrer: Ich glaube, dass in der SPÖ außer dem Dr. Gusenbauer niemand eine Reformbewegung verwirklichen wollte.

Standard: An welchen Themen ist es mit der SPÖ gescheitert?

Gehrer: Im Prinzip an allen. Sowohl bei den Pensionen als auch im Gesundheitswesen war es unmöglich, Festlegungen mit der SPÖ zu treffen.

Standard: Hätte die ÖVP den Grünen nicht doch mehr entgegenkommen können?

Gehrer: Wir sind ihnen in unglaublich vielen Bereichen entgegengekommen. Es wurde ein großes Umweltpaket geschnürt. In verschiedenen ökosozialen Steuerangelegenheiten haben wir ihnen Recht gegeben. Sie hätten eine Bildungsoffensive starten können. Es gab zahlreiche Maßnahmen zur Förderung der Studierenden und einen Vorschlag zu Mitbestimmungsmöglichkeiten für einen Teil des Mittelbaus. Im Bereich der Asyl- und der Menschenrechte gab es Reformbereitschaft von uns. Aber am Schluss hat sich Peter Pilz als "Spaltpilz" erwiesen.

Standard: Ist das nicht wieder die übliche Strategie der ÖVP, ihre jeweiligen Partner in Gut und Böse einzuteilen?

Gehrer: Ich kann nur wiedergeben, was ich tatsächlich erfahren habe: Im Hintergrund ist bei den Grünen offenbar die Bestrebung gelaufen, die ÖVP in Zusammenarbeit mit der Wiener SPÖ und den Wiener Grünen "vorzuführen". Merkwürdig waren auch die Reaktionen von Klubobmann Cap, während Dr. Gusenbauer mit Wolfgang Schüssel gesprochen hat.

Standard: Offenbar gab es aber auf Sozialpartnerebene konstruktive Vorarbeiten für eine große Koalition.

Gehrer: Ja, aber auch die sind von der SPÖ abseits von Gusenbauer nicht akzeptiert worden. Es gab nur lose Vereinbarungen. Wir sind daher zur Überzeugung gelangt, dass uns bei der SPÖ vier Jahre Erstarrung erwarten würden.

Standard: Dafür könnte es jetzt Chaos mit der FPÖ geben.

Gehrer: Eine Regierungskoalition einzugehen ist immer ein Risiko.

Standard: Bei der FPÖ sind zum Beispiel jederzeit Zurufe von Jörg Haider zu erwarten.

Gehrer: Bei den Grünen wäre das jederzeit von ihrer Wiener Gruppe und bei der SPÖ vom Herrn Bürgermeister Häupl oder vom Herrn Cap zu erwarten gewesen. Dieses Risiko gibt es bei allen dreien. Man kann daher letztlich nur schauen: Mit wem kann ich die Inhalte erreichen. Das war ausschlaggebend.

Standard: Könnte die jetzige Entscheidung nicht zu innerparteilichen Problemen samt Obmanndebatte in der ÖVP führen?

Gehrer: Das halte ich für ausgeschlossen. Ich sehe die Lage von Erwin Pröll (der Landtagswahlen am 30. März hat und gegen Schwarz-Blau stimmte, Anm.) ein. Er hat schlechte Erfahrungen mit der niederösterreichischen FPÖ gemacht. In einer Demokratie muss man aushalten, dass einmal jemand dagegen stimmt. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.2.2003)