Zwei Weltstars spielen Amour fou: Isabelle Huppert und Gérard Depardieu in Maurice Pialats wuchtigem Drama "Loulou" (1980).

Foto: Filmmuseum

Wien - Bereits zum zweiten Mal ziert die Riesenkatze Programmheft und Plakat des Österreichischen Filmmuseums und macht den September zum Monat des Tigers. Das Bild des Raubtiers, welches manche regelmäßigen Besucher des Hauses vielleicht an die Dschungelmysterien des Thailänders Apichatpong Weerasethakul denken lässt, stammt tatsächlich aus einem deutschen Kinoabenteuer namens Das indische Grabmahl (1921). Das Zusammentreffen zweier so entlegener Werke im Kopf des Betrachters ist jedoch seinerseits schon ein guter Einstieg in die "Utopie Film" .

Dieser Titel traf 2004 eine programmatische Ansage und inkludierte auch eine Auseinandersetzung mit dem Filmkanon, jenem Ein- und Ausschlussverfahren, welches normative Filmgeschichte schreibt. Diesmal wird ein ansonsten im Hintergrund der Ausstellungstätigkeit verbleibender Aspekt erhellt. Für den laufenden Betrieb werden einerseits fortwährend Kopien aus aller Welt für die Aufführung nach Wien verbracht und anschließend wieder weiterverschickt. Andererseits hat das Haus selbst schon in den 60er-Jahren den Grundstock zu einer eigenen Filmsammlung gelegt. 100 Neuerwerbungen der letzten Jahre werden nunmehr präsentiert.

Darunter fallen Ankäufe ebenso wie Schenkungen von Filmschaffenden - oder die Rekonstruktion der Premierenfassung eines Fixpunkts im Repertoire, Panzerkreuzer Potemkin (1925) von Sergej Eisenstein. Und darin veranschaulicht sich in komprimierter Form auch ein Verständnis von Filmgeschichte: ein ästhetisch, historisch, formal oder geografisch möglichst weit gefasster Blick und eine Praxis der Zusammenstellung, die Mehrwert produziert.

So ist einer der ältesten Filme im Programm, Alice in Wonderland, von 1903, der jüngste, Mosaik Mécanique, stammt von 2008, bezieht sich aber auf das frühe Kino und einen Film von Charlie Chaplin. Ein anderer Star - James Dean - ist bei Screentests zu sehen. Diese Aufnahmen treffen auf Abbas Kiarostamis Close Up (1990), der soziale Realitäten des Iran in der Nacherzählung einer (wahren)Geschichte übers Filmemachen spiegelt.

Mit Djibril Diop Mambetys Touki Bouki (1973) ist ein zentrales Werk des afrikanischen Autorenkinos vertreten. Su Friedrichs Gently Down the Stream (1981) begleitet Wanda, Barbara Lodens singulären Beitrag zu New Hollywood. Und hinter dem rätselhaften Titel HA.WEI. 14. März 1938 verbirgt sich ein Fundstück: Aufnahmen eines anonymen österreichischen Amateurfilmers von einem historisch bedeutsamen Tag.

Mit Beginn der neuen Saison am Samstag zeigen sich übrigens auch das Portal, die Fassade und der Barbereich des Filmmuseums neu gestaltet (Architektur: Gabu Heindl). Und wer in der Vorschau aufs kommende Jahr Beiträge von Regisseurinnen vermisst: Unter anderem plant man, die britische Filmemacherin Liz Rhodes vorzustellen. Auch mit einer Retrospektive der Arbeiten ihrer belgischen Kollegin Chantal Akerman darf laut Auskunft von Direktor Alexander Horwath gerechnet werden. (Isabella Reicher / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.8.2008)