Der Eurofighter bereitet ihm bis heute schlaflose Nächte, wie Norbert Darabos zugibt: "Mittlerweile wache ich auf und denke mir: ,Hab' ich den vielleicht selber gekauft?‘"

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 Auch über weitere Fehler seiner Partei sprach er mit Conrad Seidl und Nina Weißensteiner.

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STANDARD: Nachdem SPÖ-Chef Werner Faymann das freie Spiel der Kräfte im Parlament eröffnet hat, könnte auch ein Misstrauensantrag gegen Sie eine Mehrheit erlangen. Haben Sie das Gefühl, Ihre Tage als Minister sind bereits gezählt?

Darabos: Nein. Aber wir leben in einer Demokratie - und so wie es ausgeht, so geht es eben aus im Parlament. Damit muss ich leben.

STANDARD: Der Rechnungshof hat Ihre angeblichen Einsparungen beim Eurofighter-Deal um 103 Millionen Euro nach unten korrigiert. Lässt Sie die herbe Kritik anlässlich des Berichts des Kontrollgremiums tatsächlich kalt?

Darabos: Natürlich nicht. Aber es würde mich wundern, wenn ein Minister sein Marschgepäck packen müsste - um in der Militärsprache zu bleiben -, obwohl er ein Einsparungsvolumen von 370 Millionen Euro dokumentieren kann. Und ich bleibe auch dabei: Durch meine Nachverhandlungen erspart sich die Republik darüber hinaus über dreißig Jahre gerechnet noch weitere 730 Millionen an Betriebskosten.

STANDARD: Wie können vernünftig rechnende Menschen zu so unterschiedlichen Ergebnissen kommen?

Darabos: Ehrlich gesagt, ich habe mit vielerlei Kritik des Rechnungshofes gerechnet, aber nicht mit diesen Vorwürfen. Deswegen möchte ich hier schon auch noch einmal darauf hinweisen, dass nicht ich es war, der den Eurofighter bestellt hat. Das waren Wolfgang Schüssel, Günther Platter und Herbert Scheibner. Mittlerweile wache ich schon in der Nacht auf, und denke mir: „Hab' ich den vielleicht selber gekauft?"

STANDARD: Sie haben manchmal schlaflose Nächte?

Darabos: Ja, manchmal schlafe ich schlecht und denke mir: „War diese oder jene Entscheidung richtig? Und was hätte ich anders machen können?" Ich sage das ganz offen, denn ich stehe nicht für das amerikanische Politiker-Bild, nach dem man immer recht haben und immer Vitalität ausstrahlen muss. Denn dafür bin ich viel zu grüblerisch veranlagt.

STANDARD: Wenn Sie da so nachdenken: Welche Ihrer Entscheidungenwürden Sie denn revidieren?

Darabos: Im Ressort habe ich im Großen und Ganzen meist richtig gehandelt. Ich habe die Bundesheerreform vorangetrieben - und darauf bin ich sehr stolz. Und ich würde auch in der Tschad-Frage nie anders agieren.

STANDARD: Vor dem Einsatz hat ja unter anderem die „Kronen Zeitung" wochenlang gegen Sie angeschrieben. Warum haben Sie standgehalten, obwohl das in Ihrer Partei nicht gerade selbstverständlich ist?

Darabos: Das war keine einfache Zeit, das sage ich ehrlich. So was geht nicht spurlos an einem vorbei, wenn man am Morgen in bestimmten Zeitungen liest: „Sie sind fast ein Mörder österreichischer Soldaten." Wennst dich dann in den Spiegel schaust, fragst du dich schon: „Bist das wirklich du, der da in der Zeitung steht?"

STANDARD: Der Tschad-Einsatz ist aus Ihrer Sicht aber nun ein Erfolg?

Darabos: Natürlich, weil unsere Soldaten dort Flüchtlinge und die Zivilbevölkerung schützen. Allerdings wird er auch noch daran zu messen sein, wie die UNO in den nächsten Wochen eine Übergangsmission schaffen kann. Ich glaube, dass es der EU guttut, Signale auszusenden, dass man sich in Afrika engagiert.

STANDARD: Sollte sich die SPÖ in wichtigen Fragen nicht doch endlich zutrauen, einfach gegen die „Krone" zu regieren?

Darabos: Werner Faymann hat ja selbst bereits eingeräumt, dass er das mit dem Leserbrief zum EU-Kurs der SPÖ auch anders hätte machen können. Aber ich halte es prinzipiell nicht für falsch, wenn eine Zeitung sagt: „Was Politiker X macht, ist richtig."

STANDARD: Trägt Ihre Partei also gar keine Schuld am Bruch der Koalition? Hat die SPÖ alles richtig gemacht?

Darabos: Mit Sicherheit nicht. Ich bin zwar sehr loyal zu Alfred Gusenbauer und habe ihm auch viel zu verdanken: Aber bei der Regierungsbildung - nicht beim Regierungsprogramm, das halte ich für gut - glaube ich, dass wir Fehler bei den Ressorts gemacht haben.

STANDARD: War es ein Fehler, dass Gusenbauer Sie zum Verteidigungsminister gemacht hat?

Darabos: Das weniger. Aber das Finanzministerium hätten wir nicht der ÖVP überlassen sollen. Denn alles, was man ändern möchte und budgetäre Konsquenzen hat, muss man mit diesem Ressort abstimmen. Oder: Es ist auch fast wie Hohn für mich, dass der Herr Bartenstein den Bereich Arbeit betreut - ihm fehlt einfach das Herz und das Engagement dafür. Die Ausrichtung der Arbeitsmarktpolitik wäre eine zutiefst sozialpolitische Angelegenheit. Wir haben einfach zu spät erkannt, dass die ÖVP nur auf ein Nein aus ist. Was mich auch überrascht hat - und das kreide ich mir persönlich an, weil ich ja lange in der Kommunikationsbranche tätig war: dass es der ÖVP tatsächlich gelungen ist, der SPÖ ein Umfallerimage etwa bei den Studiengebühren zu verpassen - obwohl sie selbst es war, die die Abschaffung verhindert hat.

STANDARD: Mit der Aufkündigung des koalitionären Stillhalteabkommens kann die SPÖ die Studiengebühren ja jetzt abschaffen - in Kooperation mit den Freiheitlichen und den Grünen.

Darabos: Das heißt aber noch lange nicht, dass wir eine Kooperation mit der FPÖ eingehen! Wir werden ja im Nationalrat sehen, wer da wirklich mitstimmt. Und wenn ich - als Retourfoul der ÖVP - dabei über die Klinge springen muss, dann ist es so, und dann werden sich die Leute halt auch ihren Reim darauf machen.

STANDARD: Sie wären ohnehin immer viel lieber Innenminister geworden?

Darabos: Ich war vor der Regierungsbeteiligung der SPÖ über Jahre für die innere und äußere Sicherheit zuständig und auch in den zuständigen Ausschüssen tätig. Aber ich bin mir im Klaren, dass es auch keine leichte Aufgabe wäre, Innenminister zu sein - und zwar, weil der Spagat der Sozialdemokratie gerade in diesem Bereich viel schwieriger gelingen kann als der ÖVP. Die ÖVP glaubt, sie kann mit einfachen Law-and-Order-Sprüchen an Terrain gewinnen. Unsere Position ist jedoch eine Mittelposition bei der Asyl- und Integrationspolitik: Schutz für diejenigen, die den Schutz brauchen, aber durchaus auch klare Richtlinien. Und dazu sage ich ganz offen, dass in diesem Bereich keine Partei in Österreich mehrheitsfähig ist. Denn alle Umfragen zeigen uns, dass SPÖ, ÖVP, FPÖ wie Grüne relativ gleichauf liegen in der Glaubwürdigkeits- und Konsequenzfrage - was ja mehr für die Freiheitlichen und die Grünen spricht, weil sie damit über ihr Wählerpotenzial weit hinauswirken. Dieser Umstand wird auf Dauer nicht aufzulösen sein. Und auch deswegen ist Innenminister kein Wunschjob für mich.

STANDARD: Als Verteidigungsminister haben Sie bereits versprochen, nach der Wahl erneut den verfassungsrechtlich bedenklichen Assistenzeinsatzes des Bundesheeres entlang der Ostgrenze zu verlängern. Wieder eine Art Zugeständnis an Volk und „Krone"?

Darabos: Ob sich die Kronen Zeitung das wünscht, weiß ich nicht einmal. Aber das Volk wünscht sich das Bundesheer dort auf jeden Fall. Schauen Sie: Ich lebe im Burgenland, zweihundert Meter von der ungarischen Grenze entfernt. Und ich werde selbst als Minister etwa alle drei Tage aufgehalten an der Schnellstraße, im Zuge der Schleierfahndung, die von der Polizei gemacht wird. Und davor gibt es so eine Art Vorhang des Bundesheeres, das die Dinge weitermeldet. Ich halte das nicht für das große Problem - und dazu stehe ich auch. Deswegen sage ich jetzt auch ganz provokant: Wenn jemand glaubt, dass all dies tatsächlich verfassungswidrig ist, dann soll er beim Verfassungsgerichtshof Klage einreichen.

STANDARD: Wir leben aber in einem zivilisierten Land - und trotz Schengen-Öffnung patrouillieren bei uns im Landesinneren Soldaten. Was gäbe es bei uns für einen Aufschrei, wenn Österreicher auf jeder dritten Fahrt nach München aufgehalten würden?

Darabos: Als die österreichische Grenze noch Teil der Schengen-Außengrenze war, ist das ja auch durchaus passiert. Ich halte den Assistenzeinsatz in der jetzigen Phase nach wie vor für legitim. Ganz einfach, weil ich glaube, dass Ungarn seinen Aufgaben an der Außengrenze derzeit noch nicht in dem Maß nachkommt, wie es Österreich nach der Schengenöffnung getan hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.8.2008)