Wien - Während die meisten Wirtschaftsexperten den Vorschlag von SP-Spitzenkandidat Werner Faymann, auf Lebensmittel einen halbierten Mehrwertsteuersatz einzuführen, als zu wenig punktgenau bezeichnen, weil er reiche Personen bevorzuge, rückt die bäuerliche Steuerregelung grundsätzlich ins Blickfeld der Kritik.

"Das ist natürlich eine versteckte Subvention des landwirtschaftlichen Sektors", sagt Otto Farny, Steuerexperte der Arbeiterkammer: Seit dem Jahr 2000 müssen Landwirte "nur" zwölf Prozent Mehrwertsteuer auf alle ihre Produkte draufschlagen. Wer sich jetzt fragt, wo die bisherige Bevorzugung gegenüber den zehn Prozent sind, mit denen Lebensmittel in Österreich derzeit besteuert werden, muss tiefer in die landwirtschaftliche Praxis gehen.

Die in der Regel "pauschalierten" Bauern (das heißt, sie zahlen keine Umsatzsteuer) schlagen bei Wein-Verkäufen an einen Gastronomen oder aber bei ihren Milch-Verkäufen an ihre Molkerei den Umsatzsteuer-"Durchlaufposten" von zwölf Prozent drauf. Da die Molkerei nur zehn Prozent MwSt. weitergibt, verbleiben dem Bauern zwei Prozent.

"Sonderbehandlung"

Farny meint, diese Praxis sei aus mehreren Gründen hinterfragenswert. Erstens, weil ein reduzierter Mehrwertsteuersatz bei alkoholischen Getränken (diese sind ansonsten mit 20 Prozent besteuert) sowieso zu kritisieren sei. Laut der 6. EU-Mehrwertsteuerrichtlinie auf alkoholische Getränke ist normalerweise auch kein niedrigerer Satz erlaubt; Österreich habe sich halt eine unbefristete Ausnahmeregelung in den Beitrittsvertrag hineinreklamiert.

Zweitens, weil es damit nach Ansicht der Arbeiterkammer wieder eine Sonderbehandlung für Bauern gebe, "die beim Arbeiter nie toleriert würde". Zum Beispiel, führt Farny aus, müssen auch die Agrarförderungen, die die Bauern jährlich erhalten, nicht versteuert werden und Grundsteuern seien lächerlich niedrig. Die meisten Bauern zahlen nur Sozialversicherungsbeiträge.

Wie hoch der Steuerentgang ist, der aus den zwölfprozentigen Ab-Hof-Verkäufen und Zulieferungen an Molkereien und Restaurants entsteht, kann Farny nicht sagen. Aufgrund der Pauschalierung der bäuerlichen Steuerangelegenheiten gebe es auch keine Einkommensaufzeichnungen. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.8.2008)