Sich selbst über diese semantisch-philosophische Frage Gedanken, worin die subtile Differenzierung von Sinnlichkeit und Erotik besteht, zu machen, dazu verführt das jüngst publizierte bibliophile Werk von Andreas H. Bitesnich. Der 1964 in Wien geborene Fotograf präsentiert in More Nudes Akte als inszenierte Abbildungen des menschlichen Körpers, angesiedelt zwischen Architektur und Landschaftsikonografie. Die Besonderheit seines Œuvres liegt in der abstrakten Darstellung des menschlichen Körpers. Bitesnichs Arbeiten zeichnen sich durch sorgfältige, reduzierte Ausleuchtung und vor allem durch eigenwillige Arrangements aus. Seine Männer- und Frauen-Akte erinnern in ihrer künstlichen, surrealen Anordnung oft an Werke von Bildhauern. Zitate der Kunstgeschichte sind allgegenwärtig.

"Respekt" gepaart mit "Vertrauen" nennt Bitesnich in seinem Vorwort als Grundvoraussetzung im persönlichen Umgang mit den Modellen. Technische Brillanz und Ästhetik sind das Ergebnis. Nicht der erst im Finalisierungsprozess stattfindende Bildausschnitt, sondern eine strenge, a priori festgelegte Bildkomposition verfolgt den Goldenen Schnitt. Wechselhaft sind Teile des Körpers, dann wieder gesamte oder mehrere Körper in zirzensischer, athletischer, akrobatischer Balance aneinandergereiht, ineinander verschlungen. In ihrer Inszenierung sind die Akte von einer intensiven, sehr persönlichen Darstellungskraft und Ästhetik. Die porträtierten Personen, Tänzer, Models, Athleten sind stets respektvoll, kunstsinnig in Szene gesetzt. Naturgemäß entsteht beim Betrachten eine sinnliche, eine erotische Aura, allerdings jenseits von billigem Voyeurismus. (Gregor Auenhammer, ALBUM/DER STANDARD, 30./31.08.2008)