Mut zur Lücke im Wahlkampf: Viele brennende Probleme sind den Parteien kein Sujet wert - weil sie den Wählern nur angenehme Wahrheiten zumuten.

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Eigentlich sollte es das Thema Nummer eins sein: "Umweltzerstörung" nennen Jugendliche zwischen 14 und 20 laut einer Studie des Rennerinstituts als größte Zukunftssorge - und befinden sich damit in prominenter Gesellschaft. Heerscharen an Experten mahnen Maßnahmen gegen den Klimawandel ein. Österreich stellen sie meist kein gutes Zeugnis aus.
"Wir können so nicht die nächsten 50 Jahre weitermachen", sagt die Öko-Unternehmerin Monika Langthaler, früher grüne Abgeordnete: "Nur traut sich das kein Politiker sagen." Ergo spielt die Umwelt im Wahlkampf wieder nur eine Nebenrolle. Selbst ihre eigene Partei, die für eine Energiewende wirbt, nimmt Langthaler von der Kritik nicht aus: „Die Grünen sind mir da zu wenig laut. In der ORF-Pressestunde mit Alexander Van der Bellen kam das Thema kaum vor."
Langthaler glaubt, dass Meinungsforscher und Politiker die Wähler für einfältiger halten, als sie sind. "Man kann ihnen schon unangenehme Antworten zumuten", meint sie: "Nur ist es halt einfacher, billigen Treibstoff auf Lebenszeit zu versprechen."

Ebenso dringlich, aber ebenso wenig Thema im Wahlkampf ist die Gesundheitsreform. Die Gebietskrankenkassen stecken mit 350 Millionen Euro tief im Minus. Aber in den Wahlprogrammen findet sich dazu nur Allgemeines. Die SPÖ fordert die "sofortige Entschuldung" der Kassen, ohne zu sagen, woher das Geld kommen soll.
Die FPÖ will alle Kassen zusammenlegen und dann wieder trennen - in Versicherungen für Inländer und Ausländer. Die Parteien scheuen das Thema nicht nur wegen der Komplexität: Niemand will Proteste der vielen Lobbys oder der Länder riskieren, die im Gesundheitssystem viel Einfluss haben.
Im Bildungsbereich setzt die SPÖ auf einen Klassiker. Sie eröffnete den Wahlkampf mit einem Déjà-vu: Die Studiengebühren, eines der zentralen roten Wahlversprechen im Jahr 2006, sollen diesmal wirklich weg, noch vor der Wahl. Die ÖVP schwenkte rechtzeitig vor dem Urnengang auf ein verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr ein, aber nur am Vormittag.
Sonstige Pläne für den Schulbereich, mit dem sich Rot-Schwarz so abgemüht hat? Bis jetzt keine. SPÖ wie ÖVP vermitteln den Eindruck, als wäre mit den Versuchen zur Neuen Mittelschule fürs Erste einmal genug getan. Dass die im Bildungsressort verpackte Kulturpolitik ebenfalls fehlt, ist fast schon konsequent. (hei, jo, nim, DER STANDARD, Printausgabe, 5.9.2008)