New York - Die Krise der schwer angeschlagenen viertgrößten US-Investmentbank Lehman Brothers spitzt sich dramatisch zu. Nach einem bereits spektakulären Kurssturz seit Wochenbeginn brach die Aktie der Bank am Donnerstag zum Handelsauftakt in New York weiter rasant ein. Lehman Brothers droht damit laut Analysten auf der  Suche nach dringend benötigtem frischem Kapital die Zeit davonzulaufen. Mit der ebenfalls kriselnden größten US-Sparkasse Washington Mutual geriet zudem ein weiteres Schwergewicht der Branche immer stärker unter Druck. Die Aktie wurde in der Nähe ihres Rekordtiefs gehandelt.

Lehman Brothers hatte am Mittwoch einen Rekordverlust für das dritte Geschäftsquartal bekanntgegeben und will nun unter Hochdruck Konzernteile verkaufen. Hochriskante und notleidende Geschäfte im Immobilienbereich sollen zudem in eine separate börsennotierte Gesellschaft ("bad bank") ausgegliedert werden. Die angekündigten Rettungspläne müssen aber zum Großteil noch endgültig verhandelt werden.

Das Problem für Lehman wie für Washington Mutual: Je tiefer die Kurse fallen, desto weniger Geld dürften die Banken beim Einstieg neuer Investoren oder dem Verkauf von Sparten bekommen. Die Investmentbank Bear Stearns hatte wegen ähnlicher Schwierigkeiten durch die Kreditkrise im März ihrem Notverkauf zustimmen müssen. Auch der Bear-Stearns-Kurs war am Ende dramatisch abgestürzt.

Nach dem Kursrutsch bei Washington Mutual nimmt die US-Aufsichtsbehörde OTS die größte Sparkasse der Vereinigten Staaten unter die Lupe. "Wir sind uns der Lage voll bewusst und beobachten sie", sagte ein Sprecher vom Office of Thrift Supervision (OTS) am Donnerstag.

Freier Fall

Die Lehman-Aktie ging in der ersten Handelsstunde am Donnerstag wegen panikartiger Verkäufe erneut in den freien Fall über. Sie stürzte um mehr als 40 Prozent auf 4,10 Dollar - so tief wie seit 1995 nicht. Allein seit Wochenbeginn verlor Lehman Brothers damit rund 75 Prozent des Börsenwerts, seit Jänner sogar mehr als 90 Prozent. Auch andere Investmentbanken standen an der Börse unter Druck.

Die Aktien von Washington Mutual waren in dieser Woche auf den tiefsten Stand seit 18 Jahren gefallen. Im Vergleich zum September vergangenen Jahres entsprach dies einem Kursverfall von 96 Prozent. Am Donnerstag gingen die Papiere von Washington Mutual mit einem Plus von 22 Prozent bei 2,83 Dollar aus dem Handel. Nach der unangekündigten Vorlage der Teilzahlen zum dritten Quartal legte die Aktie noch einmal auf knapp drei Dollar zu. Die Bank sollte ihren vollständigen Quartalsbericht am 22. Oktober veröffentlichen.

Die angeschlagene US-Bank rechnet wegen der Kreditmarktkrise mit weiteren Milliardenabschreibungen. Angesichts zunehmender Sorgen über einen Zusammenbruch der größten Sparkasse in den Vereinigten Staaten ergriff die Bank am Donnerstag (Ortszeit) die Flucht nach vorn und teilte nach US-Börsenschluss mit, es verfüge über ausreichend Kapital. Dennoch sei im dritten Quartal mit Abschreibungen von etwa 2,7 Milliarden Dollar (1,94 Mrd. Euro) zu rechnen. Im zweiten Quartal hatte das Unternehmen wegen der Hypothekenkrise bereits 2,17 Milliarden Dollar in den Sand gesetzt. Für das dritte Quartal stellt Washington Mutual insgesamt 4,5 Milliarden Dollar wegen fauler Kredite zurück. Im Vorquartal beliefen sich die Rückstellungen auf 5,9 Milliarden Dollar. (APA/dpa)