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Scheitern Stabilisierung und Verkauf der US-Investmentbank Lehman Brothers, steht der Finanzwelt eine durch die Insolvenz ausgelöste enorme Schockwelle bevor.

Foto: Reuters/Stapleton

New York - Führende Wall-Street-Banken und die US-Regierung haben am Wochenende fieberhaft um eine Rettung der schwer angeschlagenen Investmentbank Lehman Brothers gerungen. Dabei ging es zuletzt um eine Zerschlagung oder sogar eine Insolvenz der viertgrößten US-Investmentbank mit möglichst geringen Folgen für die weltweiten Finanzmärkte.

Angst vor Kurssturz

Die praktisch rund um die Uhr laufenden Krisengespräche von Top-Managern der Bankenbranche wurden immer mehr zum Wettlauf gegen die Zeit. Aus Angst, ein Kurssturz am Montag könnte der 158 Jahre alten Traditionsbank mit deutschen Wurzeln das Genick brechen, wurde alles darangesetzt, doch noch eine Einigung zu erzielen.

Dabei sei immer klarer geworden, dass der ursprünglich geplante Verkauf der gesamten Bank an einen Konkurrenten kaum zu erzielen sei, berichtete das Wall Street Journal in seiner Online-Ausgabe. Knackpunkt seien vom Ausfall bedrohte Kreditpapiere bei Lehman, die niemand im Alleingang oder ohne Unterstützung der US-Regierung übernehmen wolle.

US-Finanzminister Henry Paulson hatte jedoch eindeutig klargemacht, dass anders als zuvor bei der Investmentbank Bear Stearns und den Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac diesmal keine finanziellen Hilfen der Regierung zu erwarten seien. Auch die US-Präsidentschaftskandidaten John McCain und Barack Obama haben sich gegen einen Einsatz von Steuermitteln zur Rettung der Bank ausgesprochen.

Lehman habe bereits provisorisch eine Anwaltskanzlei mit der Vorbereitung eines Insolvenzantrags nach Chapter 7 beauftragt, berichtet das Journal. Das würde das Unternehmen unter die Aufsicht eines vom Gericht beauftragten Masseverwalters stellen, der das Vermögen der Bank veräußern und den Lehman-Kunden ihr Geld zurückzahlen würde.

Teilung in "gute" und "schlechte" Bank

Der am Sonntag favorisierte Rettungsplan sah vor, dass Lehman Brothers in zwei Teile aufgespalten wird. Es wären eine "gute Bank", in der die sicheren Vermögenswerte gebündelt werden, und eine "schlechte Bank" , in die vom Ausfall bedrohte Papiere, vor allem aus dem Immobiliensektor, kommen. Für die Übernahme der "guten Bank" galt Sonntag die britische Barclays Bank, vor der Bank of America, als Favorit.  Allerdings sei dies von finanzieller Unterstützung durch die US-Regierung abhängig.

Barclays winkt ab

Die britische Barclays-Bank hat am Sonntag Abend allerdings  ihr Interesse an einem Kauf von Lehman Brothers zurückgezogen. Wie die "New York Times" berichtet, brachen die Briten die Verhandlungen über eine Übernahme ab (siehe auch Artikel).

Barclays hatte die Deutsche Bank und Credit Suisse beauftragt. Die Briten hätten auch noch eine andere Hürde nehmen müssen: Nämlich ihre britische Aufsichtsbehörde davon zu überzeugen, dass sie die finanzielle Stärke für die Übernahme hätte, schreibt das Journal.

Den notleidenden Teil von Lehman sollte jedenfalls ein Konsortium von zehn bis 15 Wall-Street-Banken auf sich nehmen. Sie seien bereit, mit bis zu 30 Mrd. Dollar für mögliche Verluste einzustehen, berichtet die New York Times.

Bei den Beratungen in der New Yorker Notenbank spielte ein Team am Wochenende auch Folgen eines Lehman-Zusammenbruchs für die Finanzmärkte durch, hieß es. Eine Pleite könnte eine Kette von Zahlungsausfällen nach sich ziehen, die die weltweit miteinander verwobenen Märkte erschüttern und die Finanzbranche im schlimmsten Fall in eine Abwärtsspirale drücken könnte. Es werde an verschiedenen Lösungen gearbeitet, wie man die Schäden möglichst geringhalten könne, hieß es.

Neue Krisenherde

Die Rettungsgespräche begannen am Freitag mit einem Krisengipfel in der New Yorker Notenbank mit Finanzminister Paulson. Das Treffen war mit den Chefs unter anderem von Goldman Sachs, Morgan Stanley, Merrill Lynch, J.P. Morgan und Citigroup außergewöhnlich hochkarätig besetzt. Vor zehn Jahren hatte die Branche bei einer ähnlich spektakulären Krisensitzung in New York eine teure Rettung für den Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM) eingeleitet.

Zudem brechen in der US-Finanzbranche immer neue Krisenherde auf. Die drittgrößte US-Investmentbank Merrill Lynch kämpft mit ähnlichen Problemen wie Lehman. Vom größten US-Versicherer AIG werden für Montag Ankündigungen zum Verkauf von Geschäften sowie weitere Sanierungsmaßnahmen erwartet. Und die größte US-Sparkasse, Washington Mutual (WaMu), gilt wegen enormer Probleme als Übernahmekandidat. Ihnen allen machen die zuletzt heftig eingebrochenen Aktienkurse zu schaffen. Eine Pleite von Lehman würde die Lage noch verschärfen. (spu, dpa, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.9.2008)