Wien/Mondsee - Einen evolutionären Prozess konstatieren Wissenschafter des Instituts für Limnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF potenziell giftige Cyanobakterien aus der Gattung Planktothrix studieren: Offenbar verlieren die Bakterien allmählich ihre Giftigkeit.

Bestimmte Cyanobakterien - bekannter unter der inkorrekten älteren Bezeichnung "Blaualgen" - sind in der Lage, Giftstoffe zu produzieren und damit etwa in Trinkwasserreservoiren große Probleme zu bereiten. Im Falle von Planktothrix ist es das sogenannte Microcystin, das beispielsweise die Leber schädigt. Nun wissen die Forscher aber auch, dass es innerhalb der Gattung rot pigmentierte, giftige Arten und grün-pigmentierte, ungiftige Arten gibt. Die roten dominieren in tiefen, geschichteten Seen des Alpenraums und Skandinaviens oder generell in Reservoiren. Ihre nächsten Verwandten, die ungiftigen grünen, kommen vor allem in seichten, nährstoffreichen Gewässern vor.

Harmlosere Mutanten

Die Mondseer Wissenschafter konnten nun zeigen, dass die grünen Cyanobakterien die Fähigkeit zur Toxinbildung aufgrund einer seltenen Mutation fast gänzlich verloren haben. Überraschend für die Wissenschaftler waren die genetischen Indizien, die darauf hindeuten, dass dieser Verlust bereits vor einigen Millionen Jahren passiert ist.

Seither breiten sich die ungiftigen Mutanten über Europa langsam aus und verdrängen ihre giftigen Verwandten. "Wir erwarten, dass in Zukunft - damit meine ich aber Zeiträume von mindestens einigen Tausenden von Jahren - ungiftige Cyanobakterien, zumindest bei der untersuchten Gattung Planktothrix, die Oberhand gewinnen", erklärte Studienleiter Rainer Kurmayer. "Auch bei anderen Blaualgen-Arten erscheint es uns aufgrund genetischer Befunde möglich, dass diese ihre Fähigkeit zur Giftproduktion im Laufe der Evolution langsam verlieren."

Die Biologen in Mondsee wollen in weiteren Untersuchungen klären, welche Umweltfaktoren das Auftreten von Mutationen in Richtung verminderter Microcystinsynthese begünstigen. Darüber hinaus wollen sie überprüfen, ob sich ihre Ergebnisse aus der Microcystinforschung bezüglich der Synthese häufiger anderer Toxine in relevanten Cyanobakterienarten verallgemeinern lassen. (APA/red)