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Schlangenfreund ohne Gnade für Banke.

Foto: Reuters/Jim Young

Für einen Investmentbanker ist es die größte Kunst, bei jedem Schritt den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Als Henry "Hank" Paulson Jr. im Sommer 2006 von US-Präsident George Bush zum neuen Finanzminister ernannt wurde, stand Goldman Sachs, sein Arbeitgeber seit 32 Jahren am Höhepunkt der Macht. Paulson hatte 1999 die Führung der Investmentbank übernommen, kurz bevor Goldman Sachs selbst an die Börse ging und in den Folgejahren immer größere Gewinne einstreifte.

Paulsons Jahreseinkommen fiel durch den Wechsel in die Politik von 35 Millionen auf 200.000 Dollar. Aber er verließ das Bankgeschäft zweifellos zur richtigen Zeit. Ein knappes Jahr später brach die Immobilienkrise aus, die nun einen Investmentbankriesen nach dem anderen zu Fall bringt. Und nun kann der 62-jährige Hüne in Washington sein ganzes Wissen über die komplexe Finanzindustrie einbringen, um die amerikanische Wirtschaft vor dem Kollaps zu bewahren.

Stand bei der Rettung von Bear Stearns noch Notenbankchef Ben Bernanke im Mittelpunkt, so zieht seit der Quasi-Verstaatlichung der beiden Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddy Mac der Finanzminister die Fäden. Dabei zeigt er gegenüber seinen ehemaligen Wall-Street-Kollegen wenig Gnade.

Auch bei Goldman hatte sich der frühere Football- und Lacrosse-Spieler - Spitzname "der Hammer" - nicht nur Freunde gemacht. In der Bank verdrängte er Jon Corzine, den heutigen Gouverneur von New Jersey, von der Spitze und betrieb den Sturz des New Yorker Börsenchefs Richard Grasso, der daraufhin seinen Gegner als "Schlange" bezeichnete.

Paulson nahm dies als Kompliment: Denn der begeisterte Naturfreund hatte sich auf seiner Familienfarm außerhalb von Chicago, wo er mit Ehefrau Wendy und zwei Kindern lebte, stets mit hunderten Tieren umgeben, darunter auch Alligatoren, Fröschen, Schildkröten, Taranteln und Schlangen.

Seit seinen Studententagen in Dartmouth und Harvard ist der konservative Christ zwar ein überzeugter Republikaner - unter Richard Nixon arbeitete er im Pentagon und im Weißen Haus -, aber anders als die meisten Parteifreunde setzt sich Paulson vehement für den Umweltschutz ein, etwa für Naturparks in China und Indonesien.

Überhaupt ist China, das er rund 70 Mal bereist hat, eine weitere Leidenschaft. Doch als er mit Peking konkret über Handelsfragen verhandelte, biss er sich wie seine Vorgänger die Zähne aus. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe,17.9.2008)