Methaneis fühlt sich an wie Schneematsch, brennt aber prächtig. Im Prinzip gibt es mehr davon als vom konventionellen Erdgas. Doch die Förderung ist ziemlich kompliziert.

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Eine gelbe Flamme in der kanadischen Wildnis steht für die Hoffnung auf dauerhafte Energiereserven. Methangas lässt die Fackel lodern, der Stoff, aus dem die Energie-Träume der Zukunft sind. Es strömt aus unterirdischen Eisschichten über ein Bohrrohr an die Oberfläche.

Vielerorts lagert das Gas im Permafrost, meist jedoch auf dem küstennahen Meeresgrund. Die Vorräte der Eisklumpen, der sogenannten Methanhydrate, enthalten wohl mehr Energie als alle herkömmlichen Erdgas-Reservoire. Nur wusste bislang niemand, wie man sie fördern sollte.

An der Nordwestküste Kanadas nahe der Ortschaft Mallik ist es nun gelungen, das Gas testweise für sechs Tage aus dem Permafrost zu saugen, berichteten Forscher jüngst auf einer Tagung in Oslo. "Wir hatten einen steten Gasfluss", sagte Brenda Pierce vom Geologischen Dienst der USA.

Wegen der Flüchtigkeit der Substanz scheiterte bislang meist schon die Bergung der Eisklumpen. An eine systematische Gas-Förderung aus dem Eis war kaum zu denken. Der erfolgreiche Test in Mallik zeigt nun jedoch, dass der industrielle Abbau des Rohstoffes bald realistisch sein könnte.

Viel Gas in wenig Eis

Methanhydrat erinnert an Schneematsch. Zündet man es an, brennt es wie der mit Rum getränkte Zuckerkegel einer Feuerzangenbowle. Brennbar ist das enthaltene Methangas. Zwischen Wassereismolekülen ist das Gas wie in einem Käfig auf engsten Raum gezwängt: Ein Eiswürfel von einem Kubikzentimeter lässt beim Schmelzen 164 Kubikzentimeter Gas entweichen.

Damit sich die Energiepakete bilden können, sind besondere Bedingungen erforderlich. Eiskaltes Wasser, hoher Druck sowie reichlich Methangas, das bei der Zersetzung toter Organismen im Meeresboden entsteht, formen das brennbare Eis. Vor allem dort, wo der Meeresgrund in die Tiefsee abfällt, an den Kontinentalhängen, herrschen entsprechende Bedingungen.

Die Suche nach Methanhydrat erlebt auch ohne praktikable Fördermethoden bereits Hochkonjunktur. In Asien häufen sich die Meldungen über Entdeckungen großer Methaneis-Vorkommen. In den vergangenen Monaten gaben China und Indien riesige Funde vor ihrer Küste bekannt. Die wirtschaftlich aufstrebenden Nationen sind entschlossen, mit dem brennbaren Eis einen erheblichen Teil ihres schnell wachsenden Energiebedarfs zu stillen. Chinas Präsident Wen Jiabao ließ sich stolz mit dem begehrten Rohstoff in der Hand fotografieren.

Den größten Suchaufwand betreibt Japan. Doch die Anstrengungen wurden selten belohnt; vor der Küste des Landes liegt offenbar nicht viel Methaneis. Tatsächlich erweisen sich angebliche Großreservoire regelmäßig als Fehlschlag. Schuld ist die Erkundungstechnologie. Mit dem üblichen "Durchleuchten" des Untergrundes mittels Schallwellen lässt sich zwar meist erkennen, ob Methangas enthalten ist. Aber eben nicht, wie viel.

Selbst Bohrungen geben nur begrenzt Aufschluss über das wahre Potenzial. Die Menge an Gashydrat kann an wenige Meter nebeneinander liegenden Orten stark variieren. Sogar der nach dem Rohstoff benannte Hydrat-Rücken vor der Westküste der USA war ein Flop - nur ein Prozent des Sedimentes auf dem Unterseeberg bestand aus dem energiereichen Material. Das Eis sei häufig so fein im Sediment verteilt, dass sich ein Abbau nicht lohnt, bestätigt der Geophysiker Alexei Milkov von der Ölfirma BP.

Misstrauen der Forscher

Entsprechend misstrauisch verfolgen Wissenschafter den aktuellen Jubel über die angebliche Entdeckung großer Lagerstätten in Asien. Sauber dokumentierte Veröffentlichungen von Methanhydrat-Funden sind selten, Rohstofffirmen halten sie oft geheim.

Trotz der Skepsis berichten noch immer zahlreiche Regierungsberichte oder Forschungsanträge von einem gigantischen Potenzial. 10.000 Gigatonnen Kohlenstoff sollen in Methanhydraten weltweit zu finden sein, kolportieren sie seit zehn Jahren. Das entspräche mehr als der doppelten Menge aller Erdöl-, Erdgas- und Kohlelagerstätten zusammen. Geophysiker Milkov, einer der führenden Experten auf dem Gebiet, beziffert die weltweite Kohlenstoffmenge aus Methanhydraten mit 500 bis 2500 Gigatonnen. Auch das überträfe die Menge an konventionellem Erdgas.

Manches Methanhydrat-Lager verspricht offenbar eine Goldgrube. Vor der Amazonasmündung liegt möglicherweise ein Vorkommen im Wert von einer Billion Euro. Mindestens 70 lohnenswerte Lagerstätten gäbe es weltweit, meint selbst der skeptische Meeresgeologe Valery Soloviev von der Universität St. Petersburg. An diesen Orten sei der Tiefsee-Bergbau realistisch - allerdings erst in ferner Zukunft, wenn geeignete Fördertechniken entwickelt worden seien.

BP zeigt Interesse

Diese Zeit scheint auf einmal näher gerückt, seit nun im kanadischen Mallik Gas aus dem Eis gewonnen werden konnte. Es bedurfte einer Spezialbohrung und viel Energie, um das Gas aus dem Untergrund zu pumpen. Dafür wurde warme Luft nach unten gepresst. Sie taute das Eis, das Gas trat aus. Die Zersetzung kühlt allerdings den Boden, der rasch wieder gefroren wäre, wenn das Wasser nicht stetig abgesaugt worden wäre.

Wie groß die Förderrate war, wollen die Forscher erst noch in Fachmagazinen publizieren. Das System funktioniere, der Erdölkonzern BP zeige Interesse an der Übernahme der Förderung, betonte Brenda Pierce in Oslo. (Axel Bojanowski/DER STANDARD, Printausgabe, 17.9.2008)