Der Schnurrbart könnte von Stalin sein, ...

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... seine politischen Zugänge hat er aber im linken SP-Flügel gefunden: Kommunisten-Chef Mirko Messner.

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STANDARD: Unter einem Kommunisten stellt man sich jemanden vor, der jeden Tag die Gesamtausgabe der Marx-Engels-Werke studiert. Lesen Sie am Abend vor dem Einschlafen ein bisschen Marx?

Messner: Sicher nicht - ich muss zugeben, dass ich Marx selten als Gute-Nacht-Lektüre gelesen habe. Und überhaupt habe ich mich an der Kritik des Nationalismus politisiert, und da habe ich vor allem jugoslawische Autoren und Autoren aus der damals sogenannten Dritten Welt gelesen. Das war mein theoretischer Zugang zu den Sphären der Arbeiterbewegung. Und die Broschüre von Josef Hindels "Warum sind wir Sozialisten".

STANDARD: Mit Hindels würde man aber eher im linken Flügel der SPÖ als bei der KPÖ landen?

Messner: Dort war ich auch zuerst. Ich war im Verband Sozialistischer Mittelschüler - wir haben ebendiese Kritik des Nationalismus betrieben, weil wir den ständig gespürt haben als Schüler des slowenischen Gymnasiums. Das hat den VSM nach links getrieben und in Widerspruch zur herrschenden Politik der Kärntner SPÖ, die dieses ganze Kärntnertum mitgetragen hat. Der VSM ist dann de facto aufgelöst worden. Als Student bin ich dann dem Kommunistischen Studentenverband beigetreten.

STANDARD: Es fällt auf, dass Sie bei Ihren politischen Auftritten viel von Gefühlen, aber wenig von harten Zahlen sprechen ...

Messner: ... weil ich mir die ganz einfach nicht merken kann. Und im Grunde will ich es mir auch nicht merken. Die wichtigsten harten Zahlen sind mir bekannt - und es ist ja auch nicht so entscheidend, ob ich in einer Diskussion sage, ich will einen Spitzensteuersatz von 60 Prozent oder von 61,5 Prozent. Wichtig ist, dass die Zahlen belegen, dass der Umverteilungsprozess immer schneller läuft.

STANDARD: Sie meinen: eine Umverteilung in die falsche Richtung?

Messner: Ja, nämlich von unten nach oben. An den Resultaten lässt sich belegen: Ein Prozent der Bevölkerung verfügt über ein Drittel des gesamten Vermögens in Österreich. Und noch eine Zahl: Von 2006 auf 2007 ist die Zahl der Dollar-Millionäre in Österreich um 5000 auf 77.700 Personen gestiegen - gleichzeitig nimmt die Armut zu. Dabei kommen vor allem die Frauen unter die Räder - die kriegen die schlechteren Jobs und die schlechtere Bezahlung.

STANDARD: Dieser Anstieg der Zahl der Dollar-Millionäre relativiert sich, wenn man den Kursverfall des Dollars betrachtet - 2006 war man mit rund 750.000 Euro ein Dollar-Millionär, und 2007 haben schon rund 680.000 Euro gereicht.

Messner: Dollar-Millionäre sind Dollar-Millionäre - und das reicht auch. Es geht nicht um den Kurs, sondern darum, dass sich bei einer Minderheit ein immer sagenhafterer Reichtum herausbildet. Und da sagen wir: Diese Umverteilungsprozesse muss man stoppen und umdrehen. Das geht nur, wenn die Leute Widerstandsfähigkeit entwickeln - und sich eine andere Politik überhaupt erst einmal vorstellen können. Schauen Sie die Relationen an: Das Fünf-Punkte-Programm von Werner Faymann wird auf 1,6 Milliarden Euro geschätzt - die größten ATX-Unternehmen haben sich allein durch die Senkung der Körperschaftssteuer in den letzten zwei, drei Jahren 3,5 Milliarden Euro erspart. Und die reichste Person Österreichs verfügt über ein Privatvermögen von sieben Milliarden Euro.

STANDARD: Und da wollen Sie etwas wegnehmen?

Messner: Es wird ja laufend jemandem etwas weggenommen - und zwar nicht den Reichen, sondern den Nicht-Reichen, zum Beispiel den Lohnarbeitenden. Es wird ihnen etwas weggenommen, indem die zunehmende Produktivität nicht abgegolten wird. Und wenn Löhne erhöht werden, wird wieder weggenommen, durch Lohnsteuerprogression, durch die Teuerung und so weiter. Und zurück zu den Reichen: Vor allem will ich, dass es gar nicht dazu kommt, dass solche Vermögen angehäuft werden. Welcher Mensch braucht sieben Milliarden Euro? Auf der anderen Seite heißt es: Es fehlt Geld für Soziales, für Gesundheit. Das stimmt nicht, es ist mehr als genug Geld vorhanden - die Frage ist: für wen und wofür?

STANDARD: Aber über dieses Geld müsste man verfügen können. Also müssten Sie die reichen Familien - Piëch, Flick und Mateschitz zum Beispiel - enteignen?

Messner: Ein anderes Steuersystem gehört her, eines, das die Reichen zur Kassa bittet. Da halte ich es mit einem anderen reichen Unternehmer, dem Herrn Haselsteiner: Der ist für "unvernünftig hohe Steuern für unvernünftig hohe Einkommen". Wobei ich an den Steuern nichts Unvernünftiges finde.

STANDARD: Wann ist man in Ihrer Sicht "reich" - wenn man Dollar-Millionär ist, also ein Finanzvermögen von 700.000 Euro hat?

Messner: Es gibt einen Unterschied zwischen "wohlhabend" und "reich". Wohlhabend sollen möglichst alle werden. Es ist ja interessant - es gibt eine amtliche Armutsgrenze, von einer amtlichen Reichtumsgrenze ist mir nichts bekannt. Das müsste man diskutieren: Ein wie Vielfaches des Betrags, der als Armutsgrenze gilt, darf sich ein Einzelner aneignen?

STANDARD: Und was darüber liegt, wäre abzuschöpfen?

Messner: Na selbstverständlich!

STANDARD: Dem Spitzensteuersatz unterliegen bereits Jahreseinkommen ab einer Bemessungsgrundlage von 51.000 Euro. Und Ihnen ist der Steuersatz zu niedrig?

Messner: Also es gibt zweieinhalb Millionen Frauen und Männer, die gar keine Einkommenssteuer zahlen, weil sie nicht genug verdienen. Die sollen ordentlich verdienen - und dann auch Steuer zahlen. Und was den Spitzensteuersatz betrifft: Die KPÖ schlägt vor, ihn auf 60 Prozent für Einkommen ab 70.000 Euro festzusetzen.

Man sollte nicht aus dem Auge verlieren, dass eine Mehrheit der Bevölkerung spürt, dass sie immer mehr arbeitet und weniger verdient. Die Leute haben weniger Geld in der Tasche als vor zehn Jahren. Und daher fühl ich mich unwohl, wenn man sagt: "Die armen Reichen, was denen weggenommen wird." Ich betrachte die Welt aus einem anderen Blickwinkel, aus dem der Mehrheit, die immer prekärer lebt - mit weniger Geld, mit mehr Stress und Unsicherheit. Sehr viele Menschen, die keine Perspektive mehr sehen, gehen deshalb einfach nicht mehr zur Wahl. Und da bieten wir eine Alternative. Und in einem zweiten Schritt sollen die Menschen, die hier leben und den Reichtum erarbeiten, durch Partizipation in der Gesellschaft entscheiden, was mit dem, was alle brauchen, zu passieren hat. Wir haben etwa vorgeschlagen: Freifahrt auf allen öffentlichen Verkehrsmitteln, was auch die E-Control für sinnvoll hält.

STANDARD: Sie wollen ja alle Infrastrukturleistungen gratis verfügbar machen - Sie sprechen in Ihrem Programm nicht nur von Freifahrt, Sie schlagen auch kostenlose Energie vor, ein Grundrecht auf Wohnen.

Messner: Ja, die Wohnungspolitik muss umgedreht werden. Der Wohnungsmarkt ist zu einer Goldgrube für das Kapital geworden. Wir brauchen einen Mietzinsstopp. Sofort. Für die nächsten fünf Jahre. Kombiniert mit einem System der Energie-Grundsicherung - uns schwebt vor, dass eine gewisse Menge Energie für jeden Haushalt zur Verfügung gestellt wird - wenn er oder sie spart, gibt's eine Rückvergütung.

STANDARD: Dasselbe System auch für das Internet?

Messner: Meiner Meinung nach: Ja!

STANDARD: Sie treten mit der Marke KPÖ an - ist diese Marke nicht beschädigt? Viele Österreicher denken bei "den Kummerln" an Stalinismus und die frühere Moskau-Hörigkeit.

Messner: Das ist das Bild, das uns viele anhängen wollen - aber das Bild hat rein gar nichts mit der heutigen KPÖ zu tun.

STANDARD: Und was erwarten Sie sich von Ihrer Kandidatur?

Messner: Natürlich wollen wir die Vier-Prozent-Hürde schaffen. Aber wichtig ist auch, dass unsere Botschaft gehört und verstanden wird: Umverteilung von oben nach unten statt von unten nach oben und gleiche Rechte für alle - das beginnt mit zweisprachigen Aufschriften im gesamten zweisprachigen Gebiet und reicht bis zu den Migrantinnen und Migranten, die hier leben und eine zweite Kategorie von Menschen darstellen. Wir sind für gleiche Rechte, gleiche soziale Rechte und auch für ein Wahlrecht für alle, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben. (Conrad Seidl/DER STANDARD-Printausgabe, 17. September 2008)