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Für kommenden Dienstag haben ÖVP-Chef Wilhelm Molterer und sein Wirtschaftsminister Martin Bartenstein Wirtschaftsexperten und die Sozialpartner zu einem "Konjunkturgipfel" eingeladen.

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Im US-Präsidentschaftswahlkampf wird angesichts der Turbulenzen an den Börsen die Frage diskutiert, ob der Demokrat Barack Obama oder der Republikaner John McCain über mehr Wirtschaftskompetenz verfügt. Eine ähnliche Debatte wünscht sich die ÖVP auch für die letzte Woche im Nationalratswahlkampf.

Nach den großen Börsenverlusten vom Montag und Dienstag wurde daher die neue Linie ausgegeben: Es sei nicht ausgeschlossen, dass man im Herbst ein Konjunkturpaket brauche. Für kommenden Dienstag haben ÖVP-Chef Wilhelm Molterer und sein Wirtschaftsminister Martin Bartenstein Wirtschaftsexperten und die Sozialpartner zu einem "Konjunkturgipfel" eingeladen. SPÖ-Chef Werner Faymann soll nach ihren Vorstellungen nicht dabei sein.
Die Strategie dahinter: Die ÖVP möchte die Wahl zur Abstimmung über zwei komplett konträre Wirtschaftszugänge machen. Auf der einen Seite die SPÖ, die bereit sei, jede wirtschaftspolitische Vernunft über Bord zu werfen, nur um die Wahl zu gewinnen. Und auf der anderen Seite die ÖVP, die mit Geld umgehen könne.

In der Praxis sah das am Mittwoch nach dem Ministerrat so aus: Molterer warnte neuerlich vor einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, die von der SPÖ geplant ist. "Wir dürfen das Pulver, das in schwierigen Zeiten notwendig ist, nicht jetzt verschießen." Bartenstein ergänzte in einem APA-Interview: "Wir müssen gewappnet sein und Gewehr bei Fuß stehen, um mit dieser neuen Eruption des Vulkans Finanzkrise zurande zu kommen." Nach dem Zusammenbruch des US-Investment-Riesen Lehman Brothers müsse man die wirtschaftliche Situation "neu bewerten".
Von Wahlkampfstrategie will man offiziell freilich nichts wissen, auch wenn noch vor wenigen Tagen gemeint wurde, wirtschaftsbelebende Maßnahmen seien derzeit nicht notwendig.
Relativ diffus ist nach dem Meinungsschwenk auch noch, welche Maßnahmen Teil eines Konjunkturpaketes sein könnten. Vorstellbar seien Investitionen in Forschung und Entwicklung, die Ankurbelung der Investitionsbereitschaft der Unternehmen und - auf europäischer Ebene - günstige Kredite der Europäischen Investitionsbank, sagte Bartenstein.

Neue Gewichtung geben

Für den Politikwissenschafter Peter Filzmaier ist die Intention der neuen Strategie klar: „Die ÖVP sieht ihre Chance, Themen, die bisher mehr sozialpolitische Facetten hatten, eine stärkere wirtschaftspolitische Gewichtung zu geben", sagt er zum Standard. Immerhin sei ja auch ihr Spitzenkandidat der Finanzminister. Filzmaier: „Die Volkspartei hat hier sicher das größte Interesse. Die anderen Parteien werden aber kaum in diese Richtung ihre Strategie erweitern" - außer es passiere noch etwas Unvorhersehbares. Generell ist der Politologe skeptisch, die Zeit bis zur Wahl sei viel zu kurz, um die Auswirkungen des Börsensturzes bewusst zu machen. "Wer kannte bisher die Firma Lehman Brothers?", fragte Filzmaier.

SPÖ-Spitzenkandidat Faymann zeigte sich daher am Mittwoch bemüht, das Thema nicht als Konfliktfeld darzustellen. Er sei selbstverständlich für die Vorbereitung eines Konjunkturpaketes, sagte Faymann. Man dürfe nicht auf eine mögliche Abschwächung der Wirtschaftsleistung warten, sondern müsse jetzt Maßnahmen setzen, warb er indirekt wieder für die Mehrwertsteuersenkung.
Auf weitere konkrete Vorschläge oder das Volumen eines Konjunkturpaketes wollte er sich nicht festlegen. In den Eckpunkten gehe es jedenfalls um die Steigerung der Forschungsquote und um Investitionen in Bildung und Infrastruktur, sagte Faymann.
Keinen akuten Handlungsbedarf für ein Konjunkturpaket sehen die Experten Bernhard Felderer (IHS) und Markus Marterbauer (Wifo).
Die Opposition bekräftigte dafür ihre Forderungen nach einem Vorziehen der Lohnsteuerreform. Diese würde den untersten Einkommen 700 Euro pro Person bringen, meinen die Grünen. Das BZÖ möchte eine Steuergutschrift von 200 Euro für jeden. (Günther Oswald und Peter Mayr, DER STANDARD, Printausgabe, 18.9.2008)