Infografik: UNO-Sicherheitsrat - Endspurt für Österreichs Kandidatur um einen Sitz (1.000 Pixel breit, 109 KB)

Wien wirbt mit seinem Peacekeeping-Engagement.

Foto: BMEIA

New York/Wien - Die 63. Sitzung der UN-Generalversammlung begann mit einem mittleren Eklat. Miguel d'Escoto Brockmann - Nicaraguaner, Geistlicher, Ex-Außenminister und bekennender USA-Kritiker - attackierte in seiner Antrittsrede als neuer Präsident des Gremiums kaum verklausuliert die USA, sprach von Kriegssucht und Friedensverletzungen durch "gewisse Mitglieder des Sicherheitsrats" und plädierte für eine Machtverschiebung zugunsten der Vollversammlung. Die Generaldebatte ab Dienstag verspricht turbulent zu werden - und auch für Österreich steht diesmal viel auf dem Spiel.

Schließlich will sich Wien am 17. Oktober von der Generalversammlung als nichtständiges Mitglied in den Sicherheitsrat wählen lassen. In den letzten Wochen vor der Abstimmung muss die Politik noch einmal Flagge zeigen. Deshalb reist Bundespräsident Heinz Fischer ebenso nach New York wie Kanzler Alfred Gusenbauer, Außenministerin Ursula Plassnik und Staatssekretär Hans Winkler.

Mit Island und der Türkei hat Österreich starke Konkurrenten. Für die Regionalgruppe "Western Europeans and Others Group", kurz WEOG genannt, gibt es im Sicherheitsrat nur zwei Sitze - ein Land wird verlieren. Weil in der Vollversammlung jede Stimme gleich viel zählt, kommt es auf Tonga oder die Fidschis genauso an wie auf Russland oder Indien. 128 Staaten, die Zwei-Drittel-Mehrheit in der 192 Länder umfassenden Vollversammlung, müssen Wien ihre Stimme geben. "129 ist für uns die magische Zahl" , ist von österreichischer Seite zu hören.

Unsichere Zusagen

Wie viele Stimmen man schon in der Tasche hat - darüber herrscht Stillschweigen. Auch, weil man sich nicht auf alles verlassen kann. "Faustregel ist, dass sich 15 bis 20Prozent der Zusagen nicht realisieren" , erklärt ein europäischer Vertreter. Die meisten hätten sich zwar schon festgelegt, bei manchen Staaten werde aber kurzfristig und teilweise von den Botschaftern in New York selbst entschieden, wer die Stimme am Ende bekomme. Da spielen viele Faktoren eine Rolle, bis hin zu persönlicher Sympathie.

"In der Zwischenzeit wissen wir, dass alle drei Kandidaten sagen, sie haben die notwendige Zahl von Stimmen - was mathematisch nicht möglich ist" , meint Staatssekretär Winkler. Auch er will keine Zahlen nennen, auch wenn er davon überzeugt ist, dass Wien gute Arbeit geleistet hat. "Wir sind wahrscheinlich genauso zuversichtlich wie die anderen zwei auch." Intern soll sich der Staatssekretär sehr viel deutlicher äußern, erzählen Diplomaten. Wien gehe davon aus, dass die Kandidatur erfolgreich sein werde - vielleicht schon im ersten Durchgang.

Auf der Wiener Bewerbungsbroschüre prangt ein Bild eines Blauhelmsoldaten, um Österreichs Rolle in den Friedensmissionen zu unterstreichen. Und während Konkurrent Türkei auf ein Foto des UN-Hauptquartiers in New York zurückgreifen muss, ist in der Wiener Bewerbung häufig die hiesige UNO-City zu sehen. Österreich - ein engagierter Peacekeeper und wichtiger Amtssitz der Weltorganisation, so die Botschaft.

Österreich hat seine Afrikapolitik ausgebaut und dafür eine eigene Abteilung im Außenamt eingerichtet, Diplomaten zu Workshops eingeladen und bei Klausurtagungen in Alpbach über "rule of law" diskutiert, ein Schwerpunktthema der Kandidatur. Die freiwilligen Beiträge an internationale Organisationen sind um fünf Millionen Euro erhöht worden. Die Kontakte zu Staaten in Afrika, der Karibik, dem Pazifik und Lateinamerika sind intensiver als zuvor.

"Keine schnellen Stimmen"

Hans Winkler spricht viel von "Nachhaltigkeit" . "Das ist überhaupt das Schlüsselwort für uns" , sagt der Staatssekretär. "Wir tun nichts, um eine schnelle Stimme zu bekommen." Überhaupt wolle er die Kandidatur nicht wie eine Nationalratswahl verstanden wissen - sondern als "etwas Nachhaltig-Langfristiges in den internationalen Beziehungen Österreichs" .

Ein EU-Diplomat meint schmunzelnd, "natürlich" werde auch mit kurzfristigeren Aktionen versucht, sich Stimmen zu sichern. Im Wiener Außenamt kursierte vor Monaten die Nachricht, einem Staat seien Schulbusse zugesagt worden. Die Türkei, war angeblich Medien zu entnehmen, soll Fußbälle verschenkt haben. Immer wieder ist auch von isländischen "Wahlkampfveranstaltungen" die Rede.

Aber weil es doch vor allem um die Rolle des Landes in der UNO geht, führt die Türkei seine jüngsten Vermittlungsaktionen im Nahen Osten und im Kaukasus ins Feld. Island setzt auf seine Rolle als kleiner, neutraler Staat und wird darin von den nordischen Staaten unterstützt, den größten Beitragszahlern der UNO. "Ein starkes Argument" , sagt ein EU-Diplomat.

Ein prominenter UN-Vertreter drückt Wien jedenfalls die Daumen: Generalsekretär Ban Ki-moon, einst südkoreanischer Botschafter hierzulande, hatte in einem Interview erklärt, er hoffe, dass Österreich es schaffe. "Das hat eine kleine Krise provoziert" , sagt ein europäischer Diplomat. Wien mag sich gefreut haben - Island und die Türkei waren empört. (Julia Raabe/DER STANDARD, Printausgabe, 19.9.2008)