Wien - Die Erwartungen waren, dem naturell der Diskutanten entsprechend, gedämpft. Doch die internationalen Ereignisse bescherten den beiden, wie Moderatorin Ingrid Thurnher feststellte, ein logisches Thema. Und so wälzten Wilhelm Molterer, Finanzminister, und Alexander Van der Bellen, Ökonom, beim ORF-Duell Donnerstagabend erst einmal Pläne gegen die weltweite Kapitalkrise.
Strengere Spielregeln für die Finanzmärkte, ein Bekenntnis zum staatlichen Pensionssystem - Grünen-Chef Van der Bellen konnte sich mit einigen Ansagen seines ÖVP-Gegenübers anfreunden, fügte aber ein „Aber" hinzu: Der schwarz-blaue Finanzminister Karl-Heinz Grasser sei es gewesen („er war immer aufs schnelle Geld aus"), der die Pensionen dem Kapitalmarkt ausliefern wollte. Molterers Replik: „Sie sitzen jetzt aber mir gegenüber." Der Minister stellte angesichts der Teuerung eine Einmalzahlung für Pensionisten in Aussicht, wollte aber „keine vorschnellen Zusagen" machen.

Als leistungsfeindlich kritisierte Molterer das grüne Konzept der Grundsicherung, das etwa Frauen ohne Pensionsanspruch helfen soll. Die Grundsicherung solle keinesfalls fürs Erwerbsleben gelten, widersprach Van der Bellen: „Sie verwechseln uns mit dem LiF". Molterer: „Das passiert mir in der letzten Zeit öfter."

Moderatorin Thurnher versuchte, die im freundlichen Tonfall geführte Diskussion anzuheizen, indem sie Reizthemen anschnitt - etwa die Bildungspolitik. "Wie ein Kloß" steckten ihm die Versäumnisse der ÖVP „im Hals", sagte Van der Bellen und entwarf die Vision eines "Mekka der Bildung" mit einem zweijährigen verpflichtenden Gratiskindergarten und einer Gesamtschule, ohne diese freilich so zu nennen. Dass die ÖVP neue Schulformen als „Zwangstagsschule" verunglimpfe, zeige „ein bestimmtes Frauenbild" - was Molterer empört zurückwies: „Auf diesem Niveau bin ich Sie nicht gewohnt." Der ÖVP-Chef plädierte für Wahlfreiheit im Schulsystem und gegen ein „Aufweichen" der Noten: Ein Aufstieg in die nächste Klasse „mit mehreren Fleck" müsse unmöglich bleiben.
Warum Schwule und Lesben vor dem Standesamt keine Lebensgemeinschaft abschließen sollen, argumentierte Molterer mit der allgemeinen Kinderarmut: „Deshalb habe ich besonderen Respekt vor der Ehe". Van der Bellen kopfschüttelnd: „Was hat das mit den Homos zu tun?"

Nach einem Schlagabtausch zur Ausländerpolitik, versuchten Molterer und Van der Bellen Sinn für Gerechtigkeit zwischen Arm und Reich zu demonstrieren - allerdings mit unterschiedlichen Beispielen. Molterer kritisierte die (von den Grünen betriebene) Abschaffung der Studiengebühren: Der gewöhnliche Steuerzahler würde nun berappen, was er für seinen Sohn nicht mehr zahlen muss. Van der Bellen setzte sich für die (von der ÖVP abgeschaffte) Erbschaftssteuer ein: „Wir wollen die Mitte entlasten, die Reichen sollen etwas beitragen." Ob diese beiden Fragen Bedingungen für eine gemeinsame Koalition seien, darauf ließen sich die zwei Parteichefs aber nicht festnageln. (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 19.9.2008)