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Haider hier, Haider dort. Haider in Jeans, mit aufgekrämpelten Hemdsärmeln, Haider nachdenklich, in die Zukunft blickend, Haider die Arme in die Hüften gestemmt vor einem abgeernteten Feld. Haider ist überall - auf Wahlplakaten und auch ad personam: auf jedem Fest, in jedem Bierzelt, auf jeder Party.

Ob Sport-Event, Wörthersee-Laufsteg für Stars und Sternchen oder Kärntner Heimatherbst mit Gesangsverein und Trachtenkapelle: Haider liebt das Bad in der Menge und mehr noch liebt er die Show, deren Inhalt er selbst ist.

Kaum ein Kärntner, dem er nicht irgendwann einmal die Hand geschüttelt oder den Arm kameradschaftlich um die Schultern gelegt hat: "Ja, servas, griass di, i bin's, der Jörg." Das kommt bei den Leuten an. Kaum einer wagt das einseitig aufgedrängte Du zurückzuweisen. So ist eben ein Politiker zum Anfassen. So einer kann ihnen erzählen, was er will, sie glauben es ihm oder auch nicht. Egal: "Beim Jörg ist wenigstens immer was los", freuen sich nicht nur Erstwähler, die diesmal schon mit 16 an die Wahlurne gerufen werden.

Wofür steht das BZÖ? Was ist das orange Wahlprogramm? Keiner der Jugendlichen in der Klagenfurter Cine-City etwa, denen "der Jörg" die Eintrittskarten auf Steuerzahlerkosten geschenkt hat, weiß darauf eine Antwort. Ist auch egal: Der BZÖ-Gründer selbst ist das Programm. Jetzt ist Haider wieder österreichweit unterwegs. Muss er doch sein von der FPÖ abgespaltetes oranges Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) unter allen Umständen wieder in den Nationalrat hieven. Das nötige Grundmandat kann er in "seinem" Kärnten schaffen, das ihm, dem Landeshauptmann und 100-Prozentpolitiker auf Dauer, ohnehin zu klein und ohne bundespolitisches Hinterland auch zu unsicher ist.

Von Wahltriumph zu Wahltriumph

Jörg Haider ist die geborene Wahlkampfmaschine, auch wenn er heute mit 58 Jahren längst nicht mehr der Jüngste ist. Seine Ausdauer, sein Einsatz und seine Disziplin ringen selbst dem politischen Gegner Achtung ab. Als erster Politiker hat er das "Politainement", eine Mischung aus Entertainement und Politik, wie es schon längst bei US-amerikanischen Wahlkämpfen praktiziert wurde, in der Alpenrepublik eingeführt. Mit seinen plakativ populistischen Heilsbotschaften für jedermann, Anleihen an NS-Unverbesserliche inklusive, ist der damalige FPÖ-Chef und Oppositionsführer von 1986 bis zum Wendejahr 2000 von Wahltriumph zu Wahltriumph geeilt.
Freilich auch dank eines dichtgeknüpften Netzwerks von "Freunden" aus Industrie, Wirtschaft und Medien, die in Haider einen Hoffnungsträger gegen reformunwillige rot-schwarze Packelei und abgenutzten Proporz sahen.

So war es auch just Kronen Zeitungs-Zar Hans Dichand gewesen, der Haiders unaufhaltsam scheinenden politischen Aufstieg medial intensiv gecovert hatte, bis Haider gegen Dichands Rat die FPÖ vorschnell in eine Regierungsbeteiligung mit Wolfgang Schüssels ÖVP führte. Der Rest ist bekannt: Haider spaltete die FPÖ, sein BZÖ flog 2006 aus der Bundesregierung und Krone-Boss Dichand hat sich SPÖ-Chef Werner Faymann als neuen Favoriten für den Kanzler-Job auserkoren.
Heute haben sich viele von Haiders damaligen "Freunden" rargemacht. Doch Haider kämpft wie eh und je: Er schwebt im Hubschrauber von Wahltermin zu Wahltermin, brilliert in TV-Duellen und wühlt in den Verhandlungen über ein Antiteuerungspaket mit SPÖ-Chef Faymann in seiner politischen Trickkiste.

Das Haar ist grauer, das Gesicht hagerer geworden, der blaue Schal gegen eine orange Krawatte ausgetauscht. Der Robin Hood der kleinen Leute möchte endlich Staatsmann werden. Zum x-ten Mal schüttelt Haider Hände, legt den Arm um jede Schulter, die sich anbietet: "Servas, i bin's, der Jörg." (Elisabeth Steiner, DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.9.2008)