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Ihr Konzert konnte das Minus nicht ausgleichen (v.li.): Wolfgang Ambros, Rainhard Fendrich, Hans Krankl, Willi Resetarits und Vereinspräsident Toni Polster.

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Elina Garanca (li.) und Edita Gruberová bei der Operngala vor nur 847Besuchern in der Stadthalle. Die Folge: ein "Verlust in Millionenhöhe.

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Faksimilie: DER STANDARD

Eine echte Goldgräberstimmung herrschte damals, 2007, als es galt, ein Begleitprogramm zur EURO zu entwickeln. Jürgen Weishäupl war bei Österreich am Ball, der staatlichen Koordinationsstelle, für die Kulturprojekte zuständig. Und ihm wurden, wie er erzählt, beinahe die Türen eingerannt: Man dachte allen Ernstes, es werde Geld fließen wie Milch und Honig, man reichte Projekte ein, die acht Millionen Euro gekostet hätten, obwohl für die Kunst nicht viel mehr als eine Million zur Verfügung stand.

Auch Toni Polster wurde vorstellig. Er war Präsident eines neu gegründeten Vereins, der sich zum hehren Ziel setzte, den Nachwuchs in Sport und Kultur zu fördern. Die Idee zu den Ball-Künstlern hatte der Konzertveranstalter Ron Thomas Danieli: Ihm schwebten Open-Air-Events mit Weltstars und lokalen Größen vor. Und er glaubte an breiteste Unterstützung.

In der Tat fand er einige, die er für das Vorhaben begeistern konnte, darunter Gyula Harangozó, Ballettchef der Staatsoper, und Fußballeranwalt Skender Fani. Und dieser konnte seinen Schützlingen einreden, sich für den Nachwuchs in die Schlacht zu werfen. In der Folge traten Toni Polster, der von "meinem Verein" sprach, Hans Krankl und Herbert Prohaska bei Pressekonferenzen auf.

Das Programm sah an den spielfreien Tagen der letzten EURO-Woche eine Operngala, einen Austropop-Abend, Die lustige Witwe und ein Konzert von Elton John vor. Der logische Ort war ein Fußballstadion: die Hohe Warte. Und das trieb die Gagen in die Höhe. Edita Gruberová etwa verlangte für die zwei, drei Arien, die sie zu singen hatte, das Doppelte ihres persönlichen Höchstsatzes, sprich 40.000 Euro.

Netrebko bevorzugt

Zudem hatten die Ball-Künstler die Konkurrenz unterschätzt: Peter Schwenkow, Konzertveranstalter aus Berlin, mietete den Vorplatz von Schloss Schönbrunn, wo er Anna Netrebko, Rolando Villazón und Placido Domingo auftreten ließ. Der Medienpartner, eine Boulevardzeitung, brachte lieber Fotos der schwangeren Netrebko als von der nicht mehr jungen Gruberová.

Und die Politik wollte sich trotz alter Seilschaften doch nicht so sehr engagieren, wie es Skender Fani vielleicht gehofft hatte. Bürgermeister Michael Häupl übernahm zwar die Schirmherrschaft, aber er ließ kein Geld springen. Und Alfred Gusenbauer, der Bundeskanzler, hatte nur Ehre anzubieten: Er ernannte die drei Musketiere Polster, Krankl und Prohaska im Februar zu "internationalen Botschaftern der EURO".

Obwohl die Stadt mit Plakaten zugepflastert, obwohl selbst im Fernsehen Werbung gemacht wurde: Der Vorverkauf ging unglaublich zäh. Relativ kurzfristig, im April, wurden die Konzerte von der Hohen Warte in die Stadthalle verlegt, die den Ball-Künstlern gratis angeboten worden sein soll. Polster begründete den Schritt mit "wirtschaftlichen Zwängen"; aus den "hochfliegenden Plänen" sei leider "nichts geworden". Die Nerven müssen blankgelegen sein: Im Lobsterdock soll der Ex-Torschütze herumgeschrien haben, weil er sich von der Politik wie vom ÖFB im Stich gelassen fühlte.

Das Debakel trat ein. Wenige Tage später, am 30. Juni, gab der Betreiber der Hohen Warte, der First Vienna FC 1894, bekannt, die Ball-Künstler auf Schadenersatz zu klagen. Zwar habe der Verein zugesagt, die Miete von insgesamt 30.000 Euro an die Vienna zu bezahlen, doch wegen des entstandenen Imageschadens wurde den Ball-Künstlern im Mai ein Vergleichsangebot über 47.000 Euro vorgelegt, das von diesen nicht wahrgenommen wurde. Daher werde geklagt, sagte Vienna-Anwalt Gottfried Thiery: "Die First Vienna behält sich vor, auch den Vereinsobmann Toni Polster im Insolvenzfalle des Vereins Ball-Künstler gerichtlich zu belangen."

An der Situation hat sich nichts geändert, bestätigt Thiery dem STANDARD: Derzeit werde das Ausmaß des entstandenen Schadens ermittelt. Die Besitzerin des Vienna Stüberl auf der Hohen Warte habe bereits geklagt. Streitwert sind 10.000 Euro, die ihr für die Abtretung des Caterings während der vier Konzerte zugestanden wären.

Thiery wirft dem Verein vor, "grob fahrlässig" vorgegangen zu sein. Denn die Ball-Künstler hätten nach der Verlegung der Konzerte die Schlechtwetterversicherung storniert. Das Vorgehen habe zwar eine kleine Ersparnis gebracht, stellte sich aber als fatal heraus:Bei zwei der vier Konzerte hätte die Versicherung sämtliche Kosten auf Basis eines ausverkauften Stadions abgedeckt. Die Ball-Künstler wären aus dem Schneider gewesen.

Nun aber sitzen sie auf einem Berg Schulden - und können die Gagen nicht bezahlen. In einem Brief vom 7. August heißt es (siehe Faksimile): "Obwohl die Konzerte in künstlerischer Hinsicht durchaus Erfolge waren und vom Publikum sehr positiv aufgenommen wurden, hat die Konzertreihe mit einem finanziellen Debakel geendet." Es seien derart wenige Karten verkauft worden, dass dem "Verein ein Verlust in Millionenhöhe entstanden ist" . Man verfüge daher nicht über die Mittel, "das vereinbarte Honorar zu bezahlen". Eine Insolvenz soll natürlich verhindert werden:Ein "privater Gönner" sei bereit, 40 Prozent zu bezahlen.

Gruberová will klagen

Gruberová lehnte das Angebot ab: Sie übergab, wie ihr Münchner Agent bestätigt, die Angelegenheit ihrem Rechtsanwalt, der nun Klage einbringen wird.

Der zitierte Brief stammt vom Obmann des Vereins Ball-Künstler. Er heißt aber nicht mehr Toni Polster, sondern Helmut Langer. Der Wechsel an der Vereinsspitze wurde am 19. Juni, wenige Tage vor dem ersten Konzert, vollzogen.

Die Homepage www.ballkuenstler.com existiert nicht mehr. Und Polster stellt sich dumm: "Ich weiß gar nichts. Ich kann gar nichts dazu sagen. Rufen Sie Skender Fani an." Dessen Adresse ist auch jene des Vereins. Fani ist zerknirscht: "Für Polster ist es sicher nicht angenehm, mit einem Defizit in Verbindung gebracht zu werden. Es gibt nichts zu verteilen an den Nachwuchs. Schade." (Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe, 20.09.2008)