Der letzte Akt im Schmierenstück um die Alitalia ist eröffnet. Nach Jahren des Missmanagements, der täglichen Millionenverluste und der abenteuerlichen Polit-Interventionen scheint die Inkompetenz des verkommenen italienischen Systems hinreichend unter Beweis gestellt. Die Alitalia ist pleite. Und mindestens so bankrott ist jene politische Gebarung, die, getrieben von Patronage und Partikularinteressen, die Malaise der Staats-Airline erst so dramatisch hat werden lassen.

Die Gewerkschaften, die ein Unternehmen lieber untergehen lassen, statt tausende Arbeitsplätze zu retten, stehen mit ihrem Namen genauso für den Fall wie Silvio Berlusconi. Im April hat der italienische Ministerpräsident seine Wahl auch mit dem Versprechen gewonnen, er könne eine italienische Lösung für die Alitalia finden, statt sie an die Air France zu veräußern. Passiert ist nichts. So wie in Italien nie etwas von politischer Relevanz koordiniert und geplant passiert, selbst wenn höchste Dringlichkeit geboten ist.

Die Alitalia steht als Symbol für das Ende politischer Lösungskompetenz - auch über die Grenzen des Stiefels hinaus. Denn die sogenannten italienischen Verhältnisse sind nicht nur auf die römischen Palazzi beschränkt geblieben. Österreich ist ein gutes Beispiel dafür.

In anderthalb Jahren hat es eine mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit ausgestattete große Koalition zustande gebracht, keine einzige der großen Herausforderungen des Landes anzugehen. Stattdessen fiel die Republik nach Monaten der politischen Kleinhäuslerei in einen plötzlichen Wahlkampf, aus dem bisher kaum ein Wähler eine bestechende Vision, eine Richtung herauslesen hätte können, in die es denn nun gehen soll.

Die österreichische Wirtschaft indes kann sich nicht mehr auf solide Rahmenbedingungen verlassen, sie muss ihre Geschäfte mehr und mehr gegen eine Politik machen, die überall mitreden, aber nirgendwo Verantwortung übernehmen will - italienischer geht's nicht mehr.

Ob nun in Wien, Rom oder anderswo, von Populisten vom Schlage eines Jörg Haider, H.-C. Strache oder Umberto Bossi braucht sich niemand politische Seriosität und vernünftige Konzepte erwarten. Die Tragödie dieser Entwicklungen besteht tatsächlich in der schleichenden Delegitimation und Lähmung der Volksparteien, die als große Interessenkatalysatoren doch noch so etwas wie das allgemeine Staatswohl im Blick haben müssten, tatsächlich aber das genaue Gegenteil erkennen lassen.

Wohin das letzten Endes führen kann, lässt sich ebenfalls am italienischen Beispiel durchdeklinieren: Die Bürger vertrauen einem von den Parteien erodierten Staat nicht mehr, suchen ihr Heil in Desinteresse, schrägen Fundamentalismen oder hirnverbranntem Kraftlackel-Regionalismus. Das ist der Stoff aus dem Wahlkämpfe entstehen, die schon fast weh tun und viele (siehe Kopf des Tages) ratloser denn je dastehen lassen.

Die Ironie an diesem Befund ist, dass ausgerechnet die verhasste Europäische Union in diesem Desintegrationsprozess eine Konstante einigermaßen verlässlicher Staatsführung ist. Gäbe es die viel gescholtene „Brüsseler Bürokratie" nicht, man müsste sie glatt erfinden. Auch wenn in den Hauptstädten noch so viel Blödsinn regiert, sie verhindert immerhin die gröbsten Schäden.

Ohne Brüssel gäbe es die Alitalia vielleicht auch in Jahrzehnten noch, weil die römische Regierung ungeniert Steuergelder in das Milliardengrab würfe. Jetzt ist Rom genötigt, den Offenbarungseid zu schwören. Und die Bürger können sehen, wozu ihre Regierung gut ist. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.9.2008)