HK 119: "Fast, Cheap And Out Of Control" (One Little Indian/Hoanzl 2008)

Coverfoto: One Little Indian

Hi! My name ist HK. I'm a member of the biological underclass. But not for long ...

... das wird aber nicht auf ein feministisches Manifest im Sinne Donna Haraways hinauslaufen - der Songtitel "Clone" zeigt bereits, wo's wirklich lang geht: Heidi Kilpelainen gibt zum elektronischen Marschtakt den Mad Scientist, der sich eine verbesserte Version seiner selbst züchtet und im Desaster endet.

Aber ich will nicht vorgreifen, das zweite Album der in Finnland geborenen und am ehrwürdigen Londoner St Martins College ausgebildeten Heidi Kilpelainen beginnt ja eigentlich mit "Mind". Und soundmäßig mit einem Hybrid aus Postpunk und nordosteuropäischem Folk, das gerade noch so als Dance- bzw. Hatschfloor durchgeht und sich an Zeilen wie I have to control my mind und I want to be in control entlang hangelt ... um dann plötzlich in einen zuckersüßen Jubelrefrain (You make me happy, you make my life so complete!) umzukippen, der fast von Annie stammen könnte. Oder zumindest von ihrer älteren Schwester - der mit dem Bizeps in der Familie. Sehr schöne Umsetzung von Schizophrenie in Klang und Wort! Und erst beim zweiten Mal Anhören des vermeintlich eindeutigen Beziehung-versus-Autonomie-Songs merkt man, dass offen bleibt, ob sich dieses "You" in I need you everyday auf einen Menschen oder ein pharmazeutisches Produkt bezieht.

HK 119: "Mind"

Antwort darauf könnte Stück 2, "Celeb" bieten, in dem Heidi die kaputte Diseuse gibt, die zu Bass und Piano aufzählt, was ihr schon alles an Substanzen durchs Blut geflossen ist. Nicht wirklich ernst gemeint oder zu nehmen - genausowenig wie der Soundwechsel ins fast schon Jazzige: Denn bereits in "C'est la vie" kehrt die 80er-Jahre-Disco mit dem Rumpelsynthesizer zurück und wird für den Rest des Albums auch bleiben. Dass ausgerechnet dieses Stück zur Single bestimmt wurde, ist eine schräge Idee, aber vielleicht ein kalkuliertes Schielen auf den breiten Markt: Immerhin glänzt es - Vocoder-unterstützt vom Sheffielder Elektronik-Duo I Monster - mit einem Refrain von der Art, die an Goldfrapp denken lassen könnte. Aber auch an historische Schöpfungen Michael Cretus wie "Samurai Samurai" oder "I'll never be Maria Magdalena". Ähem.

Nur dass sich Heidi die Ideen für ihre (im Gegensatz zu obigen Beispielen sehr ironischen) Stücke wie gesagt aus anderen Feldern holt, als da wären: Raumfahrt. Gedankenkontrolle. Designer-Babies und Klone. Kryonik und Klimawandel. Nie als gegen die Übel der Welt anklampfende Protestsängerin freilich, sondern stets als Akteurin (vergleiche dazu das in mehrfacher Hinsicht verwandte "Corporate Cannibal" von Grace Jones). Und immer wieder, auch auf Heidis Website, kommt das Thema Überwachung hoch: Smile to the lens that loves you so. Immerhin lebt sie heute im Land mit der weltweit größten Dichte an Überwachungskameras und hat sich - so jedenfalls die Fama - für ihr musikalisches Pseudonym von George Lucas' Erstlingswerk "THX 1138" inspirieren lassen: Ein Film, der sich um die Nummern statt Namen tragenden BürgerInnen eines künftigen Überwachungsstaats dreht. Passend dazu auch "Liberty", ein Killer von einem Dancefloor-Stück, mit dem Heidi der Zeit nachgrantelt, als man in Kinos und Flugzeugen noch rauchen durfte. Und wieder folgt in der letzten Strophe ein Perspektivenwechsel: Aus liberty I want you back now wird ganz unvermutet liberty stay away, my phoney friend - da haben in der Zwischenzeit wohl wieder die bunten persönlichkeitsverändernden Pillen gegriffen! Willkommen Fremdbestimmung ...

... und wellllcome on board, be prepared for a llllong journey in den Weltraum mit dem zweiteiligen Stück "Space", das in seiner Kitschigkeit irgendwie wirklich rührend rüberkommt, man soll's nicht glauben. Finnland ist nebenbei bemerkt die einzige Region der Welt, in der das "L" noch breiter ausgesprochen wird als in Meidling.

"Malfunction", vom Debüt-Album "HK 119"

"Avaruusasema" ("Weltraumstation") schließt die Mini-Trilogie in Heidis Muttersprache und zu weltmusikalischen Anklängen ab und gibt ihr überdies Gelegenheit Eartha Kitt-mäßig zu schnurren. Als Gegenpol zu diesen ruhigen, trippigen Tracks sei noch ganz ausdrücklich der Album-Höhepunkt "What Am I" hervorgestrichen, in dem Heidi wie einstens Danielle Dax, Klaus Nomi und andere Disco-Diven der 80er-Gegenkultur im Hochtempo transzendiert. Explosiv! Und wenn ich schon mitten im Namedropping bin: Debbie Harry bietet sich, quer über das gesamte Album betrachtet, als offensichtlichster Vergleich für HK 119 an. Nicht nur der stählernen Stimme wegen, sondern auch, weil Blondie ja ebenfalls Songs zu Heftroman-Themen wie Geheimagenten, Riesenameisen und Heckenschützen schrieben, ehe sie in die kommerziell erfolgreichere Ich-Du-Wir-Perspektive wechselten. Als sie das wieder umkehrten, war's dann auch mit der Hitparade wieder vorbei.

Heidi Kilpelainen, die sich in Musik und visueller Umsetzung (Frisuren, Fummel, Videos) zum genreübergreifenden Kunstprodukt in eigener Sache stilisiert, werden solche strategischen Überlegungen vermutlich egal sein. "Fast, Cheap And Out Of Control" ist jedenfalls eine Packung herrlich trashiger Space-Disco mit mehr Köpfchen, als es auf den ersten Blick scheint. Oder in Heidis Worten: It's a llllovely, llllovely trip to space.
(Josefson)