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Russlands Premier Wladimir Putin ließ sich in Sotschi Projekte zeigen und will ausländische Investoren nach Russland holen.

Foto: APA/EPA/Alexei Nikolsky

Obwohl auch Russland von den Auswirkungen der internationalen Finanzkrise nicht verschont bleibt,war beim Investorenforum in Sotschi keine Zurückhaltung beim Abschluss neuer Projekte zu verzeichnen.

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Sotschi - Dunkel und bedrohlich rollen die Wellen auf die russische Schwarzmeerküste zu. "Irgendwo da draußen ist ein gewaltiger Sturm. Nur in Sotschi ist es windstill" , meint der ehemalige deutsche Bundesbank-Präsident Ernst Welteke mit einem Blick auf das tosende Meer. Ähnlich verhalte es sich derzeit mit den Finanzmärkten. Der Sturm, der tobt derzeit vor allem in Amerika. Aber die Ausläufer sind bis nach Russland zu spüren. "Den Westen irritieren natürlich die politischen Spannungen, aber die Fundamentaldaten in Russland bleiben gut", sagte Welteke dem Standard am Rande eines Investorenforums. Jetzt sei aber ein guter Zeitpunkt, um sich in Russland zu engagieren.

Die Turbulenzen am russischen Kapitalmarkt waren zweifelsohne das Gesprächsthema Nummer eins unter den Geschäftsleuten und Politikern, die am Wochenende zum 7. Internationalen Investitionsforum in die russische Olympiastadt Sotschi kamen. Von der Panik, die die russische Börse in der vergangenen Woche erfasste und die zu Kursverlusten von mehr als 20 Prozent führte, war im sonnigen Badeort jedoch wenig zu spüren. Bei einem Konzert von Rod Stewart, den die Veranstalter eigens aus Los Angeles einflogen, feierten die rund 7000 Teilnehmern aus 40 Ländern ausgelassen.

Russische wie westliche Unternehmer übten sich in Zweckoptimismus. "Es herrscht zwar nicht die Devise 'Business as usual', aber 'Business continues'" , beschreibt Reiner Hartmann, Vorsitzender der Association of European Businesses (AEP), die Stimmung unter den europäischen Investoren.

Optimismus unter den Investoren versprühten in erster Linie die Worte des russischen Premierministers Wladimir Putin, der in seiner Eröffnungsrede die russische Wirtschaft hochleben ließ. "Russland ist, gemessen an der Kaufkraft, die siebtgrößte Wirtschaft der Welt und bei vielem bereits der größte Markt in Europa", sagte Putin. Die aktuelle, globale Finanzkrise wertete er als "weiteren Schritt zur Festigung einer multipolaren Welt".

Nur wenige Länder sind laut Putin auf die Krise so gut vorbereitet wie Russland: "Unsere internationalen Reserven sind größer als 550Milliarden US-Dollar, der Reservefonds hat ein Volumen von 140 und der Wohlstandsfonds von 32 Milliarden US-Dollar." Lob gab es dafür von Josef Ackermann, dem Chef der Deutschen Bank. "Ich mache mir um Russland keine Sorgen", sagte Ackermann. Dank der hohen Sicherheitspolster sei Russland jetzt nicht so verwundbar.

Trotz der beschwichtigenden Worte war unter den Investoren, die sich in den letzten acht Jahren daran gewöhnt hatten, dass es in Russland immer nur bergauf geht, auch Verunsicherung zu bemerken. "Die westlichen Investoren haben Angst. Viele Investitionen wurden gestoppt. Man wartet lieber ab", sagte Surab Schukakidse, Manager der französischen Supermarktkette Auchan, die die Zahl ihrer russischen Märkte von derzeit 30 in den nächsten Jahren verdoppeln will. Für den Einzelhandel rechnet Schukakidse mit keinen Auswirkungen.

Befürchtungen

Boris Frenkel hingegen, Manager des russischen Holzkonzerns Swesa, fürchtet um die Finanzierung eines Infrastrukturprojektes, für das er einen Förderkredit des russischen Investitionsfonds beantragen will. Er hofft, dass die Krise auf die Börse beschränkt bleibt und nur kurzfristig ist. Kommen jedoch russische Banken ins Trudeln, sieht er die russische Wirtschaft und sein Projekt gefährdet. Achim Grohmann, Osteuropa-Verkaufsdirektor von ThyssenKrupp GfT Bautechnik, bestätigt, dass es künftig schwieriger sein werde, Leasinggeschäfte abzuschließen.

Russische Banker wie Andrej Kostin, Chef der zweitgrößten Bank Russlands VTB, rechnen damit, dass die Folgen des Börsencrashs wohl noch bis Ende 2009 zu spüren sein werden. Experten gehen von einer Marktbereinigung und Konsolidierung des Bankensektors aus. Wasily Wysokow, Wirtschaftsprofessor und Chef der südrussischen Center-Investbank, an der auch die österreichischen Institute Erste Bank und Raiffeisenlandesbank Oberösterreich beteiligt sind, erhofft sich davon den Zugewinn von Marktanteilen. Als Regionalbank habe die Center-Investment immer nur mit der Realwirtschaft zu tun gehabt und nicht mit dem Aktienmarkt.

Zumindest in Sotschi war von einer Investitionszurückhaltung noch nicht viel zu spüren. Es wurden 112 Vereinbarungen mit einem Volumen von 504 Mrd. Rubel (rund 13,8 Mrd. Euro) unterschrieben. Ein Drittel davon entfällt auf ausländische Investitionsvorhaben. Damit bleibt das Investitionsvolumen nur leicht hinter dem Vorjahreswert zurück. Damals wurden 170 Projekte in Höhe von 560 Mrd. Rubel (rund 15 Mrd. Euro) vereinbart. "Die weltweite Krise hatte keine Auswirkungen auf das Forum in Sotschi" , sagte Dmitri Kosak, Minister für Regionalentwicklung. (Verena Diethelm, Sotschi, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.9.2008)